Harald Werner - Alles was links ist
 

Neue Mythen über die Quellen des gesellschaftlichen Reichtums

Der Mythos vom sich selbst vermehrenden Kapital ist für den Kapitalismus das Gleiche wie die jungfräuliche Geburt für orthodoxe Katholiken. Mit dem Unterschied, dass die mystische Kapitalvermehrung den Augenschein auf ihrer Seite hat – und das umso stärker, je mehr die Gewinne aus der Steigerung des Börsenkurses oder den Spekulationen des Finanzkapitals der realen wirtschaftlichen Entwicklung davonlaufen. Doch den Augenschein der Kapitalvermehrung zu durchbrechen und theoretische zu durchdringen, war bereits im 19. Jahrhundert entscheidend für die Formierung der politischen Arbeiterklasse. Um wie viel schwerer ist es jedoch den heutigen Finanzkapitalismus zu begreifen. Zumal sich der Mythos des sich selbst vermehrenden Kapitals noch auf ganz andere Mythen stützt. Zum Beispiel auf die angebliche Schöpferkraft der „weichen Standortvorteile“, die vor allem der Wirtschaftsstandort Deutschland zu bieten hat. Gemeint sind seine öffentliche Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft, Gesundheits- und Rechtssystem und natürlich der Staatsapparat. Trotz aller öffentlichen Kritik am beklagenswerten Zustand dieser Standortfaktoren, wird ihnen die Fähigkeit zur Reichtumsvermehrung zugesprochen. Und tatsächlich zeigen die Vergleiche mit anderen Ländern, dass diese „weichen Standortvorteile“ maßgeblich die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft beeinflussen.

Marx hat diese Entwicklung bereits in seinen „Grundrissen zur Kritik der Politischen Ökonomie“ vorausgesagt, als er prognostizierte, dass der damalige „Diebstahl an fremder Arbeitszeit … eine miserable Grundlage“ des Reichtums ist, gegenüber der Möglichkeit der künftigen Industrie, sich die Schöpferkraft der Gesamtgesellschaft anzueignen.[1] Doch das ist längst schon Realität. Der Zustand der Gesamtgesellschaft, entscheidet stärker über die Akkumulationsmöglichkeiten des Kapitals, als die Höhe der Löhne. Natürlich wird im öffentlichen Sektor kein Mehrwert produziert, aber er ist im entwickelten Kapitalismus zur unverzichtbaren Voraussetzung der Mehrwertschöpfung geworden. Und das hat natürlich Folgen für die Klassenanalyse und es muss Folgen haben für die Analyse des Kapitalismus und die Formierung der „Klasse für sich selbst“. Doch im Bewusstsein der Beschäftigten des öffentlichen Sektors, handelt es sich nicht um einen Kampf gegen das Kapital, sondern gegen die Politik. Wenn hier Lohnkämpfe ausgefochten werden, scheinen sie sich gegen Kommunen und Länder, beziehungsweise den Bund zu richten, nicht aber gegen das Kapital. Doch im Kern sind es die dominanten Bedürfnisse des Kapitals und die neoliberale Sparpolitik, gegen die sich die Beschäftigten der öffentlichen Sektoren wehren. Ihr bewusst wahrgenommener Gegner aber ist nicht die Klasse der Kapitalisten, sondern es sind die Kommunen und Länder, beziehungsweise der Bund, die den  Gebrauchswert ihrer Leistung missachten und verantwortlich dafür sind, dass ihre Einkommensentwicklung hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurückbleibt. Sie entwickeln deshalb in der Regel weniger ein Klassen -, als ein Standesbewusstsein. Und wenn es schon generell schwer ist, Lohnabhängigen ihre strukturelle Gegnerschaft zum Gesamtkapital klar zu machen, so ist das noch wesentlich komplizierter, wenn es um Pflegepersonal oder Lehrerinnen geht.

 

Sinn und Unsinn der Klassenanalyse

Lenin verdanken wir eine ebenso präzise wie scheinbar schlüssige Klassendefinition, die mit nur fünf Merkmalen auskommt: Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit der anderen aneignen kann..“ Sie unterscheiden sich „nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (…) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum..“[2] Damit ist freilich nicht mehr als ein Raster mit nur fünf Feldern beschrieben, in die sich die reale Bevölkerung eingliedern lässt. Marx hat dagegen hervorgehoben, dass man nur dann von einer Klasse sprechen kann, wenn sie die gesellschaftlichen Verhältnisse durchschaut, sich politisch organisiert und gemeinsame Interessen verfolgt. Marx ging es also nicht allein um die objektiven Merkmale einer Klasse, sondern vor allem um den so genannten subjektiven Faktor, womit Motive und Bedürfnisse, vor allem aber das Begreifen gesellschaftlicher Zusammenhänge gemeint ist.

Die sich allein auf politökonomische Kategorien beziehende Klassendefinition Lenins hat viele Marxisten veranlasst, sie durch soziokulturelle Merkmale zu erweitern. So schreibt etwa der französische Wissenschaftler Bourdieu: "Eine soziale Klasse lässt sich niemals allein aus ihrer Lage und Stellung innerhalb einer gesellschaftlichen Struktur, d.h. aus den Beziehungen bestimmen, die sie objektiv zu anderen Klassen der Gesellschaft unterhält…“  Doch so sinnvoll eine auf diese Weise erweiterte Klassenanalyse auch sein mag, so beschreibt sie doch nicht mehr als ein mögliches, nicht aber das wirkliche Bewusstsein der betreffenden Gruppen. Ebenso wenig wie man aus der Hirnstruktur eines Menschen auf sein intellektuelles Potenzial schließen kann, ebenso wenig kann man aus seiner Zugehörigkeit zu einer durch soziologische Kategorien gebildeten Gruppe Schlüsse auf sein gesellschaftliches Bewusstsein ziehen. Genau darum geht es aber, wenn Marx von einer Klasse für sich selbst spricht. Klassenanalysen sind also sinnvoll, wenn es um Veränderungen in der Erwerbsstruktur geht, nicht aber um den Zustand der „Klasse für sich selbst“, also um die politische Klasse.

 

Die Grenzen der Solidarität

So hoch die Arbeiterbewegung auch immer die Solidarität geschätzt und besungen hat, so sehr hat sie der Solidarität immer auch Grenzen gesetzt. Denn Solidargemeinschaften sind abgegrenzte Gruppen, die nicht nur definieren wer dazu gehört, sondern indirekt auch wer außen vor bleibt. Das galt immer schon für Gewerkschaften, aber auch innerhalb der Betriebe, wie etwa zwischen Facharbeitern und Angelernten. Abgesehen von den großen Kämpfen, etwa für den Achtstundentag, war die viel beschworene Einheit immer schon von mehr oder weniger scharfen Gegensätzen durchdrungen. Doch die neoliberale Modernisierung der kapitalistischen Produktionsweise, die Individualisierung der Lebensweise und die Entwicklung globaler Wertschöpfungsketten haben die Gegensätze so weit auf die Spitze getrieben, dass die gemeinsamen Interessen bis zur Unkenntlichkeit verwischt wurden. Weniger als jemals zuvor kann sich umfassende Solidarität spontan, nämlich aus praktischer Erfahrung entwickeln, weil die Praxis durch zunehmende Konkurrenz, sich ständig vertiefende Spaltungen und allseitige Marktabhängigkeit gekennzeichnet ist.

Auf der obersten Ebene konkurrieren die Festangestellten gegeneinander, um bei der nächsten Umstrukturierung nicht gekündigt zu werden und unter ihnen steht die Konkurrenz der befristet Beschäftigten, die sich den Aufstieg in die Stammbelegschaft erkämpfen wollen. Nicht zu vergessen die Konkurrenz der Leiharbeiter, die zu niedrigeren Löhnen die gleiche Leistung bringen müssen und damit die Tarifverträge unter Druck setzen. Doch das ist noch nicht alles, denn es droht auch die Konkurrenz der anderen Standorte oder der Zulieferbetriebe, die mit scharf kalkulierten Angeboten Teile der Produktion an sich reißen wollen. Das unternehmerische Risiko ist längst schon zu einem Risiko der Beschäftigten geworden, so dass sie sich zwangsläufig unternehmerisches Denken angewöhnen müssen, so dass der Kampf Klasse gegen Klasse vom Kampf innerhalb der Klasse abgelöst wird.

In dem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Marx mit dem Satz, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, mit dem Sein nicht die reale Außenwelt gemeint hat, sondern die reale Tätigkeit der Subjekte. Ihr Bewusstsein verdankt sich nicht so sehr der realen Wirklichkeit, als viel mehr ihrer realen Tätigkeit. Setzt aber die durch Konkurrenz bestimmte Tätigkeit unternehmerische Handlungen voraus, adaptiert das Bewusstsein auch unternehmerische Denkmuster. Solidarisches Handeln wird zu einer Metapher für mitmenschliche Anteilnahme.

 

Die globale Klasse: Vereint und tief gespalten

Obwohl durch die globale Arbeitsteilung und die Integration der verschiedenen Standorte in eine gemeinsame Wertschöpfungskette auch eine globale Arbeiterklasse entstand, ist dies nur eine „Klasse gegenüber dem Kapital“ und sie ist handlungsunfähiger, als es jemals eine der unteren Klasse in der Geschichte war. Dem vereinten Kampf der global Ausgebeuteten gegen ihre Ausbeuter fehlt so ziemlich alles, worauf erfolgreiche Klassenkämpfe angewiesen sind, während sich dem Kapital durch seine globale Vernetzung historisch einmalige Vorteile eröffnen. Wobei sich der wichtigste Vorteil aus der Tatsache ergibt, dass das Kapital einen weltweiten Zugriff auf das gesamte Arbeitsvermögen hat. Ob es um qualifizierte, spezialisierte oder nur billige Arbeitskräfte geht - das Arsenal ist schier unerschöpflich und die Nationalstaaten konkurrieren untereinander, um das ihnen zur Verfügung stehende Menschenmaterial an die Bedürfnisse des Kapitals anzupassen. Und das fällt ihnen immer leichter, seit weniger Industriefacharbeiter als  IT-Spezialisten gefragt sind. In China verlassen jährlich 70.000 IT-Absolventen die Hochschulen, in Indien sogar 120.000.[3]  In Deutschland waren es vor drei Jahren nicht mehr als 40.000.[4] Wo die unterentwickelten Länder früher mit wenig qualifizierten aber billigen Arbeitskräften ins Rennen gingen, punkten sie heute zwar immer noch mit billigen, inzwischen aber hoch qualifizierten Spezialisten. Perspektivisch wird sich daran wenig ändern, denn die deutsche Politik mag noch sehr auf die Ausbildung von mehr Informatikern und IT-Spezialisten drängen, denn die Konzerne verlagern ihre Softwareproduktion nicht nach Asien, weil es hierzulande an entsprechendem Personal fehlt, sondern weil dieses Personal in den Billiglohnländern deutlich weniger als ein Drittel kostet. „Allein im indischen Bangalore haben in den letzten drei Jahren 230 internationale Konzerne eine Niederlassung eröffnet. Der Softwarekonzern SAP hat dort inzwischen das größte Entwicklungszentrum außerhalb Deutschlands. Oracle beschäftigt 31 % seiner Software-Entwickler in Indien.“[5]

In weniger als drei Jahrzehnten vollzog sich damit durch die Globalisierung der Arbeiterklasse ein radikaler Paradigmenwechsel. Am Anfang wanderten in Deutschland hauptsächlich die weniger anspruchsvollen Arbeitsplätze der Textil- und Bekleidungsindustrie aus, was für ein Hochtechnologieland verschmerzbar war. Die sowohl profitträchtigen, als auch für die Klassenkämpfe entscheidenden Produktionsbereiche blieben im eigenen Land. Heute aber werden zunehmend anspruchsvolle Hightech-Arbeitsplätze ausgelagert, die zu den Kernbereichen der Industrie 4.0 gehören. Das ist nicht nur für den Wirtschaftsstandort bedenklich, sondern auch für die Kämpfe der Belegschaften. Wenn nämlich Kernbereiche der Industrie mit der Abwanderung von Arbeitsplätzen drohen können, verlieren die Gewerkschaften ausgerechnet in jenen Tarifbereiche an Kampfkraft, denen in der Lohnentwicklung bisher die Rolle der Lokomotive zukam.

Bei all der Entwicklung stellt sich die Frage, wie weit die „Klasse gegenüber dem Kapital“ durch ihre Globalisierung nicht nur immer mehr an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gekommen ist, sondern auch kaum Chancen hat, zu einer eine „Klasse für sich selbst“  zu werden. In ihren ökonomischen Kämpfen hat die Arbeiterklasse der entwickelten kapitalistischen Länder seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Ziele erreicht, nämlich die Konkurrenz zwischen den Beschäftigten zu minimieren und Theorien wie  Methoden zu entwickeln, damit sich die Klasse zu einem revolutionären Subjekt formieren kann. Das erste Ziel zu erreichen, war eine Sache der Gewerkschaften, das zweite eine Angelegenheit der politischen Arbeiterbewegung und des Marxismus. Es spricht wenig dafür, dass sich diese Geschichte auf gleiche Weise im globalen Raum wiederholen kann. Zwar sind die großen Kapitale global aktiv und handeln als Klasse gegenüber den abhängig Beschäftigten und auch diese sind eine gemeinsame Klasse gegenüber dem Kapital, doch tief gespalten nach Nationen, Kultur und Sprache, ohne gemeinsame Kommunikation und Organisation. Was aber nutzen dann nationale Klassenanalysen und ist eine globale überhaupt machbar? 

 

Wie die Ausgebeuteten des Nordens von der Ausbeutung des Südens profitieren

Der technologische und ökonomische Fortschritt des kapitalistischen Nordens speiste sich von Anfang an aus der Ausplünderung von Kolonien, den Raub von Naturschätzen und auch auf Sklavenarbeit. Daran hat sich bis heute nichts geändert, außer dass die Formen der Ausplünderung optimiert und die Eingriffe in die Natur dramatisch vertieft wurden. Wir benutzen Handys oder tragen Kleidungsstücke, die unter Bedingungen produziert werden, die der antiken Sklavenarbeit in nichts nachstehen. Vieles woran wir uns gewöhnt haben, könnten wir uns nicht leisten, wenn in den Produktionsstätten Arbeitsbedingungen bestehen würden, die mit unseren vergleichbar wären und Löhne gezahlt würden, die unter den dortigen Bedingungen ein Leben in Würde ermöglichten. So lässt Apple bei Foxconn das iPhone von 50.000 Beschäftigten mit einem Stundenlohn von vier Dollar herstellen, so dass das hierzulande so geliebte iPhone in der Herstellung nicht mehr als sieben Dollar kostet. Normalerweise hat der Arbeitstag bei Foxconn 11 bis 13 Stunden, doch in Stoßzeiten wird so lange gearbeitet, dass die Beschäftigten in der Fabrik schlafen müssen.[6] Beispiele dieser Art gibt es ohne Ende.

Problematisch ist aber nicht nur die Ausbeutung der südlichen Lohnarbeit, die dem Norden eine komfortable Lebensweise beschert. Noch entscheidender für die Spaltung zwischen den nördlichen und südlichen Klassen ist wahrscheinlich die Ausbeutung und Erschöpfung  der Naturressourcen in den Ländern des Südens. Der Hunger der entwickelten kapitalistischen Länder nach fossilen Brennstoffen, sich allmählich erschöpfenden Rohstoffen und billigen Agrarprodukten hat fatale Folgen für die auf diese Weise ausgeplünderten Länder. Die Politik der entwickelten kapitalistischen Länder ist einerseits die Ursache für die zunehmenden lokalen Kriege und den sich ausbreitenden Terror und andererseits vernichtet sie die Existenzgrundlage von Millionen Kleinbauern. Wo früher Lebensmittel für den eigenen Bedarf oder die lokalen Märkte produziert wurden, dehnen sich heute großflächige Plantagen aus, auf denen Raps oder Soja für Energie- oder Nahrungsmittelkonzerne angebaut wird. Gleichzeitig exportiert die EU etwa aus ihnen subventionierten Milchüberschüssen Milchpulver nach Afrika und vernichtet damit die kleinbäuerliche Milchwirtschaft, weil Milch aus Milchpulver nur einen Bruchteil der heimischen Bauernmilch kostet.

Selbstverständlich stehen hinter dieser Ausplünderung Konzernstrategien, doch diese Strategie dient nicht nur dem Kapital, sondern auch der Aufrechterhaltung der komfortablen Lebensweise im wohlhabenden Norden. Dass diese Ausplünderung eines ganzen Kontinents Millionen Menschen in die nördliche Hemisphäre flüchten lässt, wird dort kaum thematisiert. Noch weniger thematisiert werden die Folgen der zunehmenden Ausplünderung von fossilen Brennstoffen und seltenen Mineralien, die sich im Norden allmählich erschöpfen oder dort gar nicht zu finden sind, wie etwa das seltene, im Kongo abgebaute Coltan, ohne das Kein Handy und auch die meisten anderen digitalen Geräte nicht auskommen. Das Geschäft mit Coltan ist hoch profitabel und liegt im von seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen geplagten Kongo in den Händen von Diktaturen oder Terrorbanden. In der Folge der kongolesischen Kriege verloren allein zwischen 1998 und 2007 5,4 Millionen Menschen ihr Leben. Es sind also keine ethnischen oder religiösen Konflikte, die dort in Massenmorde und massenhafte Flüchtlingsströme münden, sondern der Kampf wird um Schürfrechte und gute Beziehungen zu den Abnehmern geführt. Das gleiche im Nahen Osten, wo keiner der zahllosen bewaffneten Konflikte für sich allein erklärt werden kann, sondern ausschließlich als Kampf um die Hegemonie in einer Region verstanden werden muss, in der die die größten Energievorkommen der Welt lagern.

 

Schlussfolgerung

Allein die empirisch beschreibbaren Klassenstrukturen und direkten Klassenkonflikte zu reflektieren, dürften den geschilderten Dilemmata nicht gerecht werden. Erst recht nicht wenn sich solche Analysen auf nationale Strukturen und Ereignisse beschränken, globale Zusammenhänge aber ausblenden. Deshalb werden auch die zunehmenden ökologischen Bedrohungen und bewaffneten Konflikte kaum als das Ergebnis von Klassenkonflikten verstanden, sondern pauschal als globale Gefahren eingestuft. Ein erhebliches Defizit besteht auch in der Hinsicht, dass der Unterschied zwischen der „Klasse gegenüber dem Kapital“ und der „Klasse für sich selbst“, also dem bewussten politischen Klassenhandeln, zu wenig Beachtung geschenkt wird. Die traditionellen Klassenanalysen, auch wenn sie durch soziale Milieus oder kulturelle Merkmale ergänzt werden, sagen uns nur wenig über die politischen Orientierungen, wirksamen Motive und Bedürfnisse der Menschen, die wir formal zur Arbeiterklasse rechnen. Genau auf dieses Wissen aber käme es an, um neue Antworten auf die alte Klassenfrage zu finden.  

      

 


[1] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, MEW Bd. 42, S.601

[2] Lenin, Die große Initiative, Werke Bd. 29, S. 410

[3] Leo Mayer ebenda

[4] Heise ebenda

[5] Leo Mayer, Internationale Wissenschaftliche Konferenz „Die Linke angesichts der Herausforderung durch die Globalisierung“, Trier 2004

[5] https://www.heise.de/ix/meldung/Zahl-der-Informatik-Studenten-auf-Rekordhoch-2053904.html


[angelegt/ aktualisiert am  11.05.2017]