Mag sein, dass Müntefering mehr Führungsqualitäten als Beck entfalten kann und medienwirksamer ist er ohnehin. Mit Sätzen wie „heißes Herz und harte Kante ist besser als Hose voll“, hat er in München bereits gezeigt, was von ihm zu erwarten ist. Er redet, wie seinesgleichen denken, dass die kleinen Leute reden und greift ihnen gleichzeitig ungeniert ans Portemonnaie. Das kennen wir und das ist weder neu noch originell, aber die Zeiten haben sich geändert. Die SPD befindet sich im Sinkflug und den Absturz können nicht mehr markige Worte, sondern nur noch Kurskorrekturen aufhalten. Denn nicht Beck hat die SPD ins Umfragetief gebracht, sondern die Agenda 2010 und ihre Propheten, zu denen sowohl Steinmeier als auch Müntefering gehören.
Das neue Führungsduo hat immer noch nicht erkannt, dass die SPD der CDU nicht mit marktradikalen Sprüchen, sondern nur mit einer anderen Politik Konkurrenz machen kann. Doch wenn Arbeitsminister Scholz zeitgleich zum Führungswechsel eine verschärfte Kontrolle der Hartz-IV-Empfänger verkündet, lässt sich ahnen, wohin die Reise gehen wird, nämlich in die Sackgasse.
Natürlich wird die zentrale Frage sein, wie es die SPD künftig mit der LINKEN hält. Weniger, wegen künftiger Bundeskoalitionen, als viel mehr weil es die einzige Chance der CDU ist, die SPD von wirklicher Politik abzuhalten. Zur wirklichen Politik einer sozialdemokratischen Partei würde nämlich gehören, aus der babylonischen Gefangenschaft Großer Koalitionen zu entkommen und neue Mehrheiten jenseits des konservativen Lagers zu suchen. So wie die Dinge momentan liegen – und das haben bisher weder Steinmeier noch Müntefering erkannt – kann die SPD nur noch auf Regierungsbeteiligungen hoffen, wenn sie die LINKE als Partnerin einkalkuliert. Schaut man sich die Verhältnisse in den verschiedenen Bundesländern an, dann ist ein politischer Wechsel nicht mehr ohne die LINKE zu erreichen. Die CDU hat das durchaus erkannt, denn ihre Hegemonie wird erst dann ein Ende finden, wenn die SPD ihre Angst vor linken Bündnissen überwindet. Auch Beck ist vor dieser Konsequenz zurückgeschreckt, aber er hat sie zumindest nicht ausgeschlossen. Mit Steinmeier und Müntefering aber ist eine Politik zu erwarten, die für die LINKE kaum tolerierbar und noch weniger koalitionsfähig ist.
Harald Werner 8. September 08