Investieren Sie in

Menschen – kaufen

Sie sich einen Studenten

Lassen Sie die Finger von Fondsanteilen, Zertifikaten und dergleichen mehr, drehen Sie dem Finanzmarkt den Rücken und „investieren Sie in Menschen“[1]. So lautet die Botschaft der „Deutsche Bildung Holding AG“. Für die Einlage von mindestens 10.000 Euro verspricht die Holding eine risikoarme Anlage mit einer Rendite von 6,2 Prozent. Dass dies in der gegenwärtigen Finanzmarktkrise gut ankommt, ist leicht vorstellbar. Erst recht aber, weil damit suggeriert wird, es handle sich gewissermaßen um eine Wohltat für unsere studierende Jugend, die nämlich bei der Deutschen Bildung GmbH‚ einer Tochter der Holding, Studienkredite beantragen kann. Eine solche Anlage nennt sich „ethisch“ und gibt dem ebenso renditehungrigen wie bildungsbeflissenen Anleger die Gewissheit, etwas gegen den Bildsnotstand zu unternehmen und gleichzeitig sein Geld im Schlaf zu verdienen.

Doch lassen wir den Schmus der Werbung einmal bei Seite und betrachten das philantrophische Rührstück aus der kritischen Perspektive politischer Ökonomie. Danach kann Geld bekanntlich nicht arbeiten, selbst wenn die Geldbesitzer diesen Eindruck sorgsam pflegen. Geld beginnt erst zu arbeiten wenn man es investiert, wie es heißt. Investiert man sein Geld freilich ausschließlich in Maschinen und Rohstoffe verwandelt man seinen Reichtum in Güter die entweder rosten oder veralten. Es handelt sich in diesem Fall um totes Kapital. Zu arbeiten beginnt Kapital nämlich erst, wenn man ihm lebendige Arbeit zusetzt. Dieser schlimme Anblick wird dem Geldbesitzer aber vorenthalten, so dass er nach dem Kauf einer Aktie beruhigt nach Hause gehen und sich in sein Bett legen kann. So weit so schlecht, was aber hat das mit Studienkrediten zu tun?

Immer wenn ich Kapital investiere, investiere ich in Menschen. Egal was sie auch herstellen mögen. Diese Menschen leisten etwas, was einen wirklichen Wert hat. Die Geschäftsidee der „Deutsche Bildung“ besteht schlicht und einfach darin, an der Leistung von Studenten zu verdienen. Denn seit sich der Staat aus der Ausbildung von akademischen Fachkräften insofern zurückgezogen hat, dass er sich dies durch Studiengebühren bezahlen lässt, auf jeden Fall aber den Lebensunterhalt der Studierenden zur Privatsache machte, kann man als Geldbesitzer nicht nur in Autobauer oder Stahlkocher investieren, sondern auch in Maschinenbau- oder Medizinstudenten. Es ist nämlich das Gleiche, ob man seinen Profit aus der momentan angewandten Arbeit eines Autobauers oder Stahlkochers zieht oder am künftigen Einkommen eines Ingenieurs oder Arztes beteiligt wird. Die Rendite stammt aus der lebendigen Arbeit anderer Menschen.

Die „Deutsche Bildung“, dieses ethisch philantrophische Institut, handelt dabei übrigens nach den bei Fonds allgemein üblichen Prinzipien. Damit sich das Investment auch lohnt, wird nur in absolut risikoarme und profitable „Anlagen“ investiert. Dabei verlässt man sich nicht auf Rating-Agenturen, also auf die in der Finanzmarktkrise in Verruf geratenen BWL-Schnösel, sondern auf bewährte pädagogische Instrumente. Der Fonds veranstaltet Aufnahmeprüfungen, sucht vornehmlich Produkte mit hohen Gehaltserwartungen aus und steigt aus dem Investment unverzüglich aus, wenn die Zukunft der Anlage zweifelhaft wird.  Wie heißt es so schön in der Werbung: „Mit dem Deutsche Bildung Studienfonds entscheiden Sie sich für eine äußerst sichere Investition und leisten gleichzeitig einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands.“

Es gibt übrigens bessere Möglichkeiten, die „Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ zu sichern: Ein Schulsystem, das nicht schon in der Grundschule nach sozialer Herkunft selektiert, eine bessere Ausstattung der Universitäten, den Verzicht auf Studiengebühren und die Wiedereinführung einer elternunabhängigen und nicht rückzahlungspflichtigen Ausbildungsförderung.  

Harald Werner, 13. November 08

 

 



[angelegt/ aktualisiert am  13.11.2008]