Nicht umsonst wurde der seit Jahren auslaufende Kapitalismustyp „Fordismus“ genannt. Die Automobilindustrie brachte eine neue Betriebsweise hervor, begründete einen neuen Klassenkompromiss zwischen Arbeit und Kapital, indem sie die Steigerung des Massenkonsums verlangte und führte den Kapitalismus auf einen neuen Wachstumspfad. Keine Branche, die nicht vom Wachstum des Autoabsatzes profitierte, sich auf ihn ausrichtete und damit von ihm abhängig wurde. Und nichts hat die öffentlichen Investitionen der vergangenen Jahrzehnte so stark vorangetrieben, wie die Ausweitung des Autoverkehrs. Was aber, wenn dieser Wachstumsmotor zu stottern beginnt? Wenn die über Jahrzehnte gewohnten Wachstumsraten der Automobilproduktion ausbleiben, bleibt auch das Wachstum aus. Nach der letzten Krise, im Anschluss an die Jahrtausendwende, konnte die Autoindustrie ihren Einbruch nicht nur überwinden, sondern die Produktion noch einmal beschleunigen. Vor allem durch den explodierenden Absatz in China, Indien und den Ländern des ehemaligen sowjetischen Machtbereichs. Nicht nur, dass sich auch dieser Markt erschöpfen wird, entscheidender ist, dass diese Länder ihre eigenen Produktionsstätten geschaffen haben. Allein die chinesische Autoproduktion verzeichnete in den vergangenen Jahren jeweils Zuwachsraten von etwa 25 Prozent. Gehen diese Märkte für die deutsche Autoindustrie verloren, meistens auch weil sie inzwischen innerhalb dieser Länder produziert, stehen drei Viertel der deutschen Automobilarbeitsplätze zur Disposition. Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen, rechnet damit, dass sich die westeuropäischen Überkapazitäten in vier Jahren von 20 auf 40 Prozent erhöhen werden, wenn es zu keinen Stilllegungen kommt.
Die entscheidende Schlussfolgerung aus der Krise der Automobilindustrie ist, dass allein in Deutschland rund eine Million Arbeitsplätze endgültig verschwinden werden. Insofern ist es nackter Wahnsinn, wenn die Bundesregierung durch Abwrackpremien für Altautos oder Senkung der Kfz-Steuer der Autoindustrie unter die Arme greifen will, statt den sich abzeichnenden Strukturbruch durch alternative Investitionen zu begleiten. Das Autozeitalter wird nicht zu Ende gehen, aber die Automobilindustrie wird ihre seit mehr als einem halben Jahrhundert aufgebaute Dominanz unweigerlich verlieren. In Deutschland vor allem als Exportmotor.
Harald Werner 5. Januar 09