Natürlich gibt es bei der Vermarktung von Politikern noch einige Probleme. Bei Fußballern kann man sich an geschossenen, beziehungsweise an gehaltenen Toren orientieren, was aber schießt ein Politiker – außer dem einen oder anderen Bock? Welche Politikerin hält schon nach der Wahl, was sie vorher versprochen hat? Auch mit der Marktkraft der Parteien ist es so eine Sache. Welche Ablösesumme kann man bieten, wenn jemand aus der gegnerischen Mannschaft auf der Transferliste steht? Zwar lässt sich im Einzelfall leicht nachweisen, was jemand in der bisherigen Mannschaft nicht bekommen hat. Aber wird er es in der neuen bekommen?
Fragen über Fragen, die sich aber im Zuge der Marktöffnung von selbst beantworten dürften. Schließlich ist die Einpreisung bereits weit fortgeschritten. Die Werthaltigkeit orientiert sich an der Einschaltquote, die leicht zu erhöhen ist, wenn man zum Beispiel nicht mit langweiligen Inhalten vor die Presse tritt, sondern mit Eigentoren oder heftigen Attacken gegen die eigene Mannschaft. Es gibt in der Linken, beziehungsweise bei der vormaligen PDS, nicht wenige, die ihre Werthaltigkeit vor allem als Bedenkenträger gesteigert haben oder sogar zu führenden Intellektuellen wurden, weil sie das mangelnde intellektuelle Niveau der eigenen Mannschaft kritisierten. Hat man damit erst einmal angefangen, weiß jeder Journalist wen er zu fragen hat, wenn entsprechende Einlassungen gefragt sind. Auch als Flügelmann oder -frau lässt sich der Marktwert nachhaltig steigern, wenn man nur weiß, mit welchen Stehsätzen zu operieren ist, um ins Adressverzeichnis der öffentlichen Meinungsmacher zu gelangen. Der absolut sicherste Weg ist gegenwärtig allerdings die Trainerschelte: „Frust über Lafontaine“ – mit solchen Sprüchen schafft man es bis in die Tageschau.
Natürlich geht es in der Politik nicht um Geld, sondern ums Gewissen. Man kann es mit seinem Gewissen nicht mehr verantworten, dieses oder jenes mitzutragen. Wobei es darauf ankommt, hängt davon ab, was der politische Gegner schon lange nicht mehr tragfähig findet. Ist man dann erst einmal auf Sendung, steigt der Marktwert von alleine. Denn die Abtrünnigen sind natürlich erst dann reif für die Transferliste, wenn sie als ausgewiesene und eigentlich unverzichtbare Expertinnen und Experten verkauft werden können. Man darf sich dabei getrost auf den Einfallsreichtum der Redaktionen verlassen.
Harald Werner 22. Mai 09