Die Wirtschaft wächst – aber in die falsche Richtung

 

„Nach Angaben von Allianz Global Investors stieg das private Geldvermögen in Deutschland im vergangenen Jahr auf eine Höhe wie nie zuvor, auf fast fünf Billionen Euro. Genau: 4.880.000.000.000 Euro. Der leichte Einbruch im Krisenjahr 2008 war bereits im Folgejahr 2009 wettgemacht worden; 2010 ging es wieder in die Vollen. Geldvermögende kennen keine Krise. Ihren Geldreichtum vermehrten sie im Vorjahr um 220 Milliarden Euro. Die Geldvermehrung ist doppelt so hoch wie der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit 100,5 Mrd. Euro“ (ISW,17.1.11)  Es handelt sich also um ein Wachstum, das, wie der Wildwuchs auf dem Acker, keine neuen Früchte, sondern neues Unkraut produziert. Wächst das Geldvermögen deutlich schneller als die gesamte Wirtschaftsleistung, dann erhöht sicher einerseits der Druck auf die Unternehmen, ihre Rendite zu erhöhen und andererseits steigt die Gefahr, dass das überschüssige Geldkapital eine neue Spekulationsblase produziert. Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr nämlich nur um 3,6 Prozent gestiegen, während die Geldvermögen um 13,2 Prozent nach oben kletterten. Das explodierende Geldvermögen steht aber nicht nur im krassen Gegensatz zum mäßigen Wachstum, und erst recht zu den stagnierenden Arbeitseinkommen, es destabilisiert auch die Weltwirtschaft. Denn auf der Suche nach Rendite strömt es derzeit in großen Mengen in die Schwellenländer, bei denen die Geldflut zur Inflation führt und die Währungsspekulation vorantreibt.

Was Bundesregierung und Arbeitgeber bejubeln, ist der weltweite Auftakt zur nächsten Finanzkrise. Und die dürfte schlimmer ausfallen, als die vor zwei Jahren. Die überschuldeten Regierungen dürften kaum noch in der Lage sein, erneut mit Hunderten von Milliarden ihre Banken und gleichzeitig auch noch bankrotte EU-Länder zu retten. Dazu kommt, dass der deutsche Exportboom, die eigentliche Ursache der plötzlichen Geldflut, sich noch in diesem Jahr als Strohfeuer erweisen wird. Denn die weltweite Nachfrage sinkt wieder. In China üben sich die Verbraucher in Enthaltsamkeit, aus Angst vor der nächsten Krise, die USA kommen nicht voran und Großbritannien meldete bereits, dass sein Bruttoinlandsprodukt wieder um 0,5 Prozent sinkt.  

Gleichzeitig verschließt die Bundesregierung die Augen vor den Problemen des eigenen Binnenmarktes. Denn das angebliche Anspringen der Verbrauchernachfrage drückt sich hierzulande in einer Zunahme von nur 0,5 Prozent aus. Dagegen kletterten die Exporte um 14,2 Prozent. Auch das angebliche Beschäftigungswunder ist eine Fata Morgana, denn der Wachstumsmotor Exportwirtschaft produzierte zwar mehr aber mit weniger Personal. Das Sinken der Arbeitslosenzahlen geht vor allem auf das Konto Renteneintritt und Leiharbeit. Beides Faktoren, die zu sinkender Kaufkraft führen.

Was bei alledem auffällt, ist der Gegensatz von regierungsamtlicher Euphorie und großer Skepsis bei der Mehrheit der Fachökonomen. Sofern sie nicht am neoliberalen Aberglauben festhalten, fallen ihre Prognosen ziemlich negativ aus und der nun startende Weltwirtschaftsgipfel in Davos ist von Ratlosigkeit geprägt. Die Financial Times Deutschland spricht von einem weltweiten Burnout  der Eliten. Nur Herr Brüderle und Frau Merkel scheinen auf Ecstasy zu sein.

Harald Werner 26. Januar 2011

 


[angelegt/ aktualisiert am  26.01.2011]