Harald Werner - Alles was links ist
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Olympia-Boykott ?

Um es vorweg zu sagen, China macht weder eine demokratische, noch eine sozialistische Politik und das Beste, was man sich momentan wünschen kann, ist eine halbwegs zivilisierte Entwicklung. Dementsprechend steht es nicht nur in Tibet schlecht um die Menschenrechte, sondern in der gesamten Volksrepublik. Das hat bislang weder die Bundesregierung und erst recht nicht die deutsche Industrie daran gehindert, ausgesprochen freundliche und auch sehr lukrative Beziehungen mit China zu pflegen. Im vergangenen Jahr exportierte Deutschland Waren im Wert von 29,9 Milliarden Euro nach China, was in Deutschland mindestens 150.000 Arbeitsplätze gesichert haben dürfte. Und auch sonst gibt es für unsere politischen und ökonomischen Eliten keine größeren Berührungsängste gegenüber China. Deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren dort Investitionen von insgesamt 13,5 Milliarden getätigt. Kein großer deutscher Konzern, der nicht seine Anlagen in China betreibt – egal wie es dort um die Menschenrechte bestellt ist. Ganz zu schweigen davon, dass wir als Verbraucher im vergangenen Jahr chinesische Waren im Gesamtwert von 54,6 Milliarden Euro konsumierten. Ob bei IKEA oder in den Baumärkten, Made in China ist überall und wer sich über billige Heimwerkermaschinen oder Möbel freut, sollte einmal auf das Herkunftsland schauen. Warum also gerade die Olympiade boykottieren?

Vermutlich würde ein wirksamer Boykott der Handelsbeziehungen Deutschland nicht weniger schaden als China und er würde letztlich auch nichts nutzen. Aber die Boykottdrohung gegen die olympischen Spiele hat den ungeheuren Vorteil, sich als wahrer Verteidiger der Menschenrechte inszenieren zu können, ohne für sie wirklich etwas zu tun. So lange es nämlich der reiche Norden hinnimmt, dass sich sein Wohlstand aus der Ausplünderung von Ländern speist, die nicht nur die Menschenrechte mit Füßen treten, sondern von den reichen Ländern auch dazu gezwungen werden, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, ist das Einklagen von Menschrechten pure Heuchelei. Sicher, die gemeinten Menschenrechtsverletzungen – egal ob in Asien oder Afrika – sind älter als die Globalisierung, aber die bestehende Weltwirtschaftsordnung konserviert sie nicht nur, sie vertieft sie auch.

Harald Werner 6. April 2008


[angelegt/ aktualisiert am  08.04.2008]