Harald Werner - Alles was links ist
 

Der Niedergang der SPD von Godesberg bis zur neuen Sozialdemokratie

In Godesberg hat sich die SPD nicht in jeder Hinsicht vom marxistischen Denken verabschiedet, wohl aber vom Sozialismus. Noch in der Großen Koalition setzte sie 1967 mit dem Gesetz für Stabilität und Wachstum wirtschaftspolitische Maßnahmen durch, die sich an Keynes Nachfragepolitik orientierten und sowohl die Regierung, als auch die Bundesbank verpflichteten, für Vollbeschäftigung, als auch für Preisstabilität, Wachstum und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu sorgen. Das Gesetz geriet zwar bereits unter der Regierung Schmidt in Vergessenheit, wurde aber nie durch eine ähnliche gesetzliche Regulierung ersetzt. Das geschah gewissermaßen gesetzlos, indem die staatliche Wirtschaftspolitik immer stärker dem Markt untergeordnet wurde – zum Beispiel durch kostendeckende Preise für öffentliche Dienstleistungen. Doch immer noch galt der demokratische Sozialismus als sozialdemokratische Grundmaxime, über die man in den 1980er Jahren sogar noch mit DDR-Wissenschaftlern diskutierte.

Als die DDR und das so genannte sozialistische Lager auf dem Müllhaufen der Geschichte landeten, begannen sich sämtliche sozialdemokratische Parteien neu zu orientieren und die Politik dem Markt unterzuordnen. Die von Blair und Schröder kreierte „neue Sozialdemokratie“ beerdigte nicht nur den Sozialstaat, sie bekannte sich offen zum Neoliberalismus, weshalb eine Erneuerung der SPD schwer vorstellbar ist, ohne eine schonungslose Kritik der angeblich neuen Sozialdemokratie. Der eigentliche Sündenfall waren nicht die Arbeitsmarktreformen, sondern war vor allem die Steuerpolitik, die radikale Privatisierungsstrategie und das Runterschrauben der Steuersätze für hohe Einkommen aus Unternehmenstätigkeiten und Geldvermögen. Es ist begrüßenswert, wenn die SPD Maßnahmen zur Armutsbekämpfung diskutiert oder die Mängel in der öffentlichen Daseinsvorsorge kritisiert, doch glaubwürdig ist das so lange nicht, wie sie nicht ihre Sünden in der Verteilungspolitik eingesteht und neue Antworten findet.  

 Harald Werner 23.4.2018


[angelegt/ aktualisiert am  23.04.2018]