Eigentlich war das alles zu erwarten, denn das Wörtchen sozial hatte Schulz schon seit Wochen gemieden. Es begann damit, dass ihn die Bundeskanzlerin an Gerhard Schröder erinnerte, der seine Agenda 2010 mit dem Slogan begründete: „Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Innovation“. Von Stunde an verlor Schulzens Gerechtigkeit das Adjektiv „sozial“ und kam nie mehr ohne Innovation aus. Der weichgespülte Gerechtigkeitsbegriff bekam als erstes seinen konkreten Inhalt, als Schulz vor der Berliner Industrie und Handelskammer den anwesenden Unternehmensvertretern versprach: „…unerfüllbare Sozialversprechen“, werde es mit ihm nicht geben und auch nur eine Koalition „die ökonomische Vernunft walten lässt.“ Das Publikum hörte das gern, war es doch selbst schon immer nur für Sozialversprechen, die in ihrem Sinne erfüllbar waren und wer vor versammelter Unternehmerschaft „ökonomische Vernunft“ verspricht, meint natürlich was Unternehmer für vernünftig halten. Man durfte das übrigens getrost als Absage an eine rot-rot-grüne Koalition verstehen.
Man muss ehrlicherweise zugestehen, dass Schulz nie die Politik der „neuen Sozialdemokratie“ und die Methode der Agenda 2010 in Frage stellte, sondern Korrekturen versprach. Er will nicht über Schröder hinaus, sondern zu ihm zurückkehren. Seine Gerechtigkeitsvorstellungen haben nichts mit Verteilungspolitik zu tun, sondern beschränken sich auf „Entlastungen“ der „schwer arbeitenden Mitte“, womit vor allem deren Entlastung von Steuern und Sozialabgaben gemeint ist. Keine Rede davon, dass seine „hart arbeitenden Mitte“ schlecht bezahlt wird, weder auf sichere Arbeitsplätze, noch auf auskömmliche Renten hoffen kann und sich über der wachsenden Armut ein gigantisch wachsender Reichturm bläht. Zukunft und Gerechtigkeit, womit das kommende Wahlprogramm aufwarten will, reduziert sich auf das alte Versprechen: „Mehr Netto vom Brutto“ –die Löhne sind also nicht zu niedrig, sondern die Abgaben zu hoch. Die Unternehmer werden ihm zweifelsfrei zustimmen.
Es gibt natürlich auch Positives zu vermelden. Die Überschrift des erwarteten Wahlprogramms wird wahrscheinlich neben Zukunft und Gerechtigkeit auch das Wörtchen Frieden enthalten, was denn auch einen Bezug zur Gerechtigkeit hat, weil Friedenspolitik Geld spart. Parteivize Manuela Schlesig wandte sich bei Anne Will vehement gegen den von der Nato geforderten zwei Prozent Anteil am Staatsetat, der die BRD zusätzlich 20 Milliarden kosten würde. Die SPD wolle nicht 20 Milliarden für die Rüstung, sondern zehn Milliarden mehr für Bildung ausgeben. Das dürfte dann allerdings das Einzige bleiben, was die SPD umverteilen will.
Harald Werner 16.5.2017