Gruppen und vor allem Vorstände haben die fatale Tendenz, Personalpolitik nach Selbstähnlichkeit zu betreiben. Instinktiv spüren sie, wer zu ihnen passt und wer nicht. Das verspricht Harmonie, verringert Konflikte und sorgt für ein ausgeglichenes Klima. Und genau das verhindert, was die SPD momentan braucht, nämlich konfliktbereite Vordenker und experimentierfreudige Querköpfe. Sie braucht Leute die Debatten auslösen, keinen Streit scheuen und Denkblockaden auflösen. Scholz und Maas aber auch Heil stehen für Kontinuität, nicht aber für Erneuerung.
An Sigmar Gabriel musste man sich reiben, von der neuen Truppe ist nicht mehr als ein reibungsloser Geschäftsgang zu erwarten. Gabriel war zwar sprunghaft und wohl auch ein Ergomane aber nie langweilig, doch wie er sich als Außenpolitiker auf dem schwierigen Parkett der Diplomatie Ansehen verschaffte, das war schon beeindruckend. Folglich schossen seine Umfragewerte an die Spitze der beliebtesten Politiker. Man muss Gabriel nicht mögen, aber ohne ihn wird die SPD-Spitze stumpfer und gleichförmiger werden.
Aert von Riel hat seinem ND-Artikel über die neue SPD Spitze die Überschrift „Parteisoldaten am Kabinettstisch“ verpasst. Ich denke, dass die Parteisoldaten das nicht verdient haben. Die Truppe von Olaf Scholz wird keine Schlachten schlagen, sondern Aktenordner füllen. Scholz suchte keine Parteisoldaten, sondern Parteisachbearbeiter. Als er die künftige Ministerriege vorstellte, ging es vor allem um die Fähigkeit große Behörden leiten zu können, fachlich profiliert zu sein und sich loyal verhalten zu können. So könnte sich eine Stellenausschreibung für die Leitung einer Ortskrankenkasse lesen, nicht aber für eine Partei, die sich zu erneuern vorgibt. In der Hinsicht war Angela Merkel übrigens wieder einmal besser, weil sie sich mit Spahn ihren größten und auch mutigsten Widersacher ins Kabinett holte. Politik braucht für ihre Weiterentwicklung nämlich Reibungsflächen, und keine loyalen Sachbearbeiter.
In dem zermürbenden Streit für oder gegen die GroKo ging es nicht nur um den mageren Inhalt des Koalitionsvertrags, sondern um einen Richtungswechsel. Nicht um einen Wechsel des Personals, sondern des politischen Profils. Und dieser Widerstand kam eindeutig von links, weshalb man mindestens erwarten konnte, dass sich dies im neuen Personaltableau widerspiegelt. Die breite, nur durch die Mitgliederbefragung und die Kampagne der Jusos angestoßene Debatte hatte schon etwas Großes. Sie mobilisierte Hunderttausende, die endlich das Gefühl hatten, Politik könnte auch von der Basis gemacht werden. Dieser große Aufbruch hat nicht den geringsten Niederschlag im neuen Kabinett gefunden, was ausgerechnet bei denen in Frustrationen münden wird, die eine Erneuerung der Partei hätten vorantreiben können. Was die CSU einen Zwergenaufstand nannte, war eigentliche eine große Sache, die die lange schon anhaltenden Verzwergung der SPD hätte aufhalten können.
Harald Werner 10.3.18