Eines der am höchsten geschätzten Instrumente der Klimapolitik ist immer noch der Markt. Sei es mit dem Handel von Verschmutzungsrechten oder der vagen Hoffnung auf einen grünen Umbau der Industrie. Doch da der Kapitalismus nur produziert, was auch Mehrwert schafft, werden nur solche Umbaustrategien vor der Wirklichkeit Bestand haben, die den Renditehunger des Kapitals befriedigen. So ist zum Beispiel die Verkehrswende ein riesiges Geschäft, weil auf der einen Seite Millionen Autos vor ihrer möglichen Betriebszeit verschrottet werden und auf der anderen ganze Flotten von Elektroautos neu produziert werden müssen. Gleichzeitig lässt sich der Staat nicht lumpen und subventioniert diese Autos mit Milliarden, die allemal besser im Schienenverkehr angelegt wären. Ganz davon abgesehen, dass auch ein bezahlbarer Bahnverkehr staatliche Subventionen verschlingt, wenn er von Aktieatatastrophen atangesellschaften betrieben wird.
Als ein weiteres Wundermittel der Klimapolitik wird uns die Digitalisierung angeboten, die allerdings den problematischen Mangel hat, ungeheure Mengen an Energie zu verbrauchen. So wird - nach Berechnungen von Experten - die Digitalwirtschaft in fünf Jahren mehr Energie verschlingen als der gegenwärtige Autoverkehr. Und nur eines der gewaltigen Rechenzentrum, die Google benötigt, verbraucht täglich die gleiche Energiemenge wie eine Großstadt mit 100.000 Einwohnern.
Es gibt keine grüne Wirtschaft, selbst wenn sie sich noch so grün darstellt, weil sie auf Gedeih und Verderb Mehrwert produzieren muss. Denn Kapital fließt nicht dahin, wo die größten Bedarfe bestehen, sondern die höchsten Renditen zu erwarten sind. Das hat weniger mit Raffgier zu tun, als mit der schlichten Tatsache, dass das global agierende Finanzkapital blind gegenüber dem Gebrauchswert seiner Investitionen ist. Die Investoren setzen sich nicht über gesellschaftliche Bedürfnisse hinweg, sondern sie wissen häufig gar nicht welche gesellschaftlichen Folgen ihre Transkationen haben – ob ihr Kapital in nützliche oder tödliche Aktivitäten fließt.
In der Diskussion über den Klimawandel wird fast immer noch angenommen, dass die Klimakatastrophe verhindert werden kann, wenn wir unsere Lebensweise umstellen. Dabei werden zwei Probleme übersehen, die wir längst schon haben oder die wir selbst dann haben werden, wenn die gesteckten Ziele zur Begrenzung der Erderwärmung erreicht werden. So schreibt Jonathan Franzen, ein weltweit bekannter Schriftsteller in seinem neuesten Buch „Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen – Gestehen wir uns ein, dass wir die Klimakatastrophe nicht verhindern können.“[1] Zwei Momente sind in diesem Buch wichtig: Erstens, dass es jetzt vor allem darauf ankommt, sich auf die Folgen der Klimakatstrophe vorzubereiten und zweitens, dass der Autor das Artensterben für ebenso katastrophal hält, wie die Erderwärmung.
Im Prinzip ist an den gegenwärtigen Katastrophen erkennbar, dass sich die Menschheit, selbst beim Erreichen der gesetzten Klimaziele, auf einem die menschliche Zivilisation bedrohenden Weg befindet. Extreme Wetterlagen hat es in der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben, das Problem ist nur, dass sie selten die ganze Menschheit betrafen und es auch sehr viel weniger Menschen gab. Noch vor 30 Jahren lebten auf der Erde 5,3 Milliarden Menschen, während es heute 7,7 Milliarden sind. Nüchtern betrachtet ist die Zunahme der Weltbevölkerung ein nicht zu unterschätzender Faktor für die zunehmende Erderwärmung. Hinzu kommt, dass der steigende Lebensstandard in den weniger entwickelten Ländern sowohl den Ressourcenverbrauch exponentiell steigert, als auch die Verteilungskonflikte verschärft.
Bereits die relativ kleine aber wirtschaftsstarke Europäische Union ist völlig unfähig, leider aber auch unwillig, die nach Millionen zählenden Flüchtlinge aufzunehmen, denen die Existenzgrundlage verlorenging und die es deshalb in den reichen Norden treibt. Das aber ist nur eine Seite des Problems, die andere ist, dass die nur negativ gesehene Migration den Rechtspopulismus befördert und die Demokratie untergräbt. Überhaupt nehmen weltweit nicht nur die Flüchtlingsströme zu, sondern in ihrer Folge auch die militärischen Auseinandersetzungen. Unübersehbar ist die Gefahr, dass die lokalen Kriege in eine militärische, und vielleicht sogar atomare Auseinandersetzung zwischen den Weltmächten führen. Nimmt man all diese bereits bestehenden und noch zu befürchtenden Probleme zusammen, dann lässt sich die Klimakatastrophe nicht mehr abwenden, aber wir können uns auf sie vorbereiten.
Als der englische Ökonom Petty die Natur als die Mutter des Reichtums und die Arbeit als seinen Vater bezeichnete, erwidert Marx, dass der Kapitalismus in diesem Sinne ein Elternmörder sei, weil er die Arbeit und die Natur vernichtet. Bei den Gratiskräften der Natur denkt man unwillkürlich an die Vernichtung oder den Raubbau von Naturschätzen, nicht aber an Bienen oder Schmetterlinge. Tatsächlich aber drohen der Menschheit durch das Artensterben die gleichen Gefahren, wie durch den Klimawandel. Mit dem Unterschied, dass die Folgen des Klimawandels sinnlich erfahrbar sind. Denn während die Kapriolen des Wetters und die Gewalt der Naturkatastrophen die Tagesnachrichten füllen, nehmen wir das Artensterben bestenfalls dadurch wahr, dass unsere Autoscheiben immer weniger durch plattgedrückte Mücken verschmiert werden.
Um die Bedeutung der Biodiversität erfahrbar zu machen, inszenierte der Umweltverband Nabu in einem Supermarkt in Langenhagen bei Hannover, was es wirklich bedeutet, wenn Insekten sterben. Aus den Regalen des Discounters verschwanden alle Waren, „deren Herstellung direkt oder indirekt von der Bestäubung durch Bienen und andere Insekten abhängt.“[2] Die Kunden stellten fest: „Es gibt weder Kaffee noch Kakao, keine Säfte und keine Babykost. In der Ecke mit den Milchprodukten fehlen die Fruchtjoghurts. Und auch in den Tiefkühltruhen, die sonst voll sind mit Fertigpizza, Schlemmerfilet und Asiapfanne, herrscht gähnende Leere.“[3]
Überhaupt werden die Gratiskräfte der Natur einerseits geringeschätzt und andererseits wird nicht erkannt, dass sie das wirksamste Instrument nicht zur Verhinderung, aber zur Milderung der Klimakatastrophe sind. Wälder und Moore sind zum Beispiel in der Lage, große Mengen von CO² zu speichern und den entscheidenden Klimakiller unschädlich zu machen. Wahrscheinlich können diese natürlichen Ressourcen mehr zur Minderung des Klimawandels beitragen und ihre Kosten sind sogar deutlich niedriger, als etwa die Errichtung von Windparks.
[1] Hamburg 2020
[2] Der Tagesspiegel, 1. März 2020
[3] ebenda