Nichts ist für die Linkskräfte wie für die Friedensbewegung heute dringender, als sich erneut mit der Imperialismustheorie zu beschäftigen. Kein Land, das momentan um seinen Platz in der neuen Weltordnung kämpft, das sich dabei nicht von ökonomischen Interessen leiten lässt. Es geht um Ressourcen und Märkte, nicht aber um Religionen oder Werte, sondern um Wachstumsraten und Exportüberschüsse. Und in der Hinsicht handelt Trump nicht anders als andere Mächte, mit dem entscheidenden Unterschied, dass er die Spielregeln dieses neuen Imperialismus ignoriert. Wo sich andere der Diplomatie und der Knüpfung von Vertragswerken bedienen, um ihre Interessen durchzusetzen, lässt er die Muskeln spielen und trampelt durch den Porzellanladen.
Das gefährlichste Feld ist gegenwärtig der Nahe Osten, wo Erdogan von einem neuen Sultanat träumt, die Golfstaaten ihre Abhängigkeit vom Erdölexport durch globale Kapitalinvestitionen überwinden wollen und Israel aggressives Landgrabbing betreibt. Daneben der Iran, der mit fast allen Ländern der Region, vor allem aber mit den USA, verfeindet ist und aus unterschiedlichen Gründen wirtschaftlich dahinsiecht. Frieden kann es in dieser komplizierten Lage nur geben, wenn die USA, Russland und die EU eine Politik des Interessenausgleichs und der Förderung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen betreiben. Die Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran wird das Gegenteil befördern. Kaum vorstellbar, dass sich Nordkorea in dieser Gemengelage noch auf eine vertragliche Einigung mit den USA über die Vernichtung seines Atomwaffenarsenals einlassen wird.
Bei alledem darf man nicht übersehen, dass ein neues Embargo über den Iran für die USA ein blendendes Geschäft ist. Die USA fördern mit 10,6 Millionen Fass am Tag inzwischen mehr Öl als Saudi-Arabien. Sie sind in den vergangenen Jahren zum größten Erdölproduzenten der Welt aufgestiegen. Neue Sanktionen werden die iranischen Ölexporte deutlich schrumpfen lassen und die Entwicklung der iranischen Öl- und Gasindustrie schmerzhaft treffen. Dagegen dürfen sich die USA über steigende Ölpreise und einen höheren Marktanteil freuen. Fantastische Geschäfte winken auch der amerikanischen Rüstungsindustrie. Denn nie zuvor haben die USA derart viele Waffen in die Golfregion verkauft wie unter Trump. Dazu passt die Wortwahl des Immobilienspekulanten, der das Abkommen mit dem Iran einen schlechten Deal nennt.
Für den Kommunisten Antonio Gramsci gründet sich Herrschaft nicht immer auf Gewalt, sondern auch auf Führungsfähigkeit. Die USA haben in ihrer Geschichte nicht davor zurückgeschreckt Gewalt einzusetzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Doch ihre führende Rolle gründete sich nicht allein auf Gewaltanwendung, sondern auch auf die Fähigkeit sie zurückzuhalten und ihre Wirtschaftsmacht auszuspielen. Diese Rolle haben sie verloren und werden sie noch mehr einbüßen, wenn die Rolle der USA weiter von Trump geschrieben wird. Es wird von China, Russland und der EU abhängen, ob sich Gramscis Modell einer durch wirtschaftliche Macht gepanzerten Führungsfähigkeit durchsetzt oder die Welt weiter von der tumben Logik eines Immobilienmilliardärs beherrscht wird.
Führungsfähigkeit setzt nicht nur Macht voraus, sondern auch innere Stabilität und Souveränität. Die EU hat dies alles gegenwärtig nicht. Dementsprechend ist sie kaum in der Lage, eine eigenständige Rolle gegenüber den USA zu spielen. Im Gegenteil: Sie lässt sich von den USA zu ihrem Nachteil in eine Embargopolitik und zur militärischen Aufrüstung treiben. Spannend wird es, wenn die USA von ihr verlangen, ein neues Embargo über den Iran zu verhängen. Man nur kann nur hoffen, dass sie ihren Kapitalinteressen folgen und sich dem nicht unterwerfen.
Harald Werner 9. Mai 2018
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