Harald Werner - Alles was links ist
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Wer oder was ist

Schuld

an der

Finanzkrise?

Die Krise auf den Finanzmärkten scheint durch waghalsige Bankgeschäfte verursacht und die Explosion der Nahrungsmittelpreise wird auf die zunehmende Verwendung von Agrarprodukten für die Kraftstoffproduktion zurückgeführt. Folglich wird in der Finanzwelt über eine Verschärfung der Bankenkontrolle nachgedacht und die Welternährungsspezialisten rufen nach finanzieller Hilfe durch die reichen Länder. Alles richtig, aber die Probleme des Marktversagens sind damit nicht gelöst. Nun ist die Krise der Finanzmärkte eine ganze andere Geschichte, als die Explosion der Lebensmittelpreise, doch gemeinsam ist beiden Krisen, dass sie den entscheidenden Glaubenssatz der Angebotstheorie, genauer gesagt der Neoklassik und des Neoliberalismus in Frage stellen. Nach diesem Glaubenssatz entstehen ökonomischen Krisen vor allem durch die Einschränkung der Marktfreiheit, während der unregulierte Markt angeblich zu einem alle Übertreibungen ausgleichenden Gleichgewicht strebt. Jetzt zeigt sich plötzlich, dass die unregulierte Marktfreiheit in die größte Finanzkrise nach dem Ende des zweiten Weltkrieges geführt hat und die Globalisierung der Nahrungsmittelmärkte Hunger produziert. Staat einem Gleichgewichtszustand zuzustreben, produziert und verschärft der Marktmechanismen also Ungleichgewichte.

Es sind jedoch erhebliche Zweifel angebracht, ob daraus gelernt wird. Erstens weil jede Krise nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner kennt und die Letzteren alles unternehmen werden, damit ihnen keine Fesseln angelegt werden. Zweitens sucht man auch in der Öffentlichkeit bisher nicht die Schuld bei der herrschenden Ökonomie, sondern bei leichtsinnigen Bankern oder raffgierigen Spekulanten. Dass die ungewöhnlichen Krisen aus dem ganz gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb entstanden sind, muss wahrscheinlich erst einmal verstanden werden, ehe der ungezügelte Markt zum Gegenstand öffentlicher Kritik wird.

Was der Markt kann und was nicht

Marktgegner und Marktradikale verhalten sich zueinander wie Atheisten und religiöse Eiferer, nämlich als Antipoden eines antagonistischen Widerspruchs, der nur aufzulösen ist, wenn die Religion zur Privatsache wird. Der Markt ist aus einer arbeitsteiligen und auf Geldbeziehungen gegründeten Gesellschaft nicht zu beseitigen, ohne die gesellschaftlichen Tauschbeziehungen zu zerstören und an ihre Stelle einen übermächtigen und damit autoritären Staat zu setzen. Das Gegenteil dieses Fehlers, nämlich das politische Gemeinwesen durch den Markt zu ersetzen, produziert ein nicht minder autoritäres Regime und mündest in die Marktgesellschaft, in der die Macht der Besitzenden außer Kontrolle gerät.

Schon Adam, der erste große Markttheoretiker, sprach von der „blinden Hand des Marktes“, weil der Markt auf die binäre Logik des Kaufens und Verkaufens beschränkt ist und weder soziale, noch ökologische oder politische Informationen verarbeiten kann. Sind die Rahmenbedingungen des Marktes zum Beispiel durch soziale Ungleichheit bestimmt, also durch Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln wird er die Ungleichheit bis zur totalen Ausplünderung der Besitzlosen vorantreiben. Das Gleiche gilt für die Gratisgüter der Natur, die hemmungslos ausgebeutet werden, weil sie keinen Marktwert repräsentieren – es sei denn sie befinden sich in der Verfügungsgewalt von Eigentümern. Das ist freilich nur dort der Fall, wo sich das Naturgut mit einem Privatgrundstück verbindet, wie etwa bei Erdölfeldern, Erzgruben oder Wald- und Agrarflächen. Aber auch hier kann keine Rede davon sein, dass der Markt einen Gleichgewichtszustand herstellt. Das Gegenteil ist der Fall. So wie der Marktmechanismus zur Ausplünderung der besitzlosen Arbeit führt, vernichtet er auch die Natur. Beides muss nicht theoretisch erklärt werden, sondern ist beobachtbar.

Trotzdem hat der Markt eine unverzichtbare Funktion, wenn es darum geht, produzierbare Güter auszutauschen. Erst über den Markt bildet sich ein Durchschnittspreis heraus, wird ein Qualitätsstandard gesetzt und die produktive von der unproduktiven Arbeit unterscheidbar. Will man dagegen zusammenfassen, was der Markt nicht kann und wo seine Mechanismen versagen, so könnte man schlicht sagen, dass der Markt überall dort versagt, wo er die Güter nicht selber herstellen kann, die er verteilt. Das gilt für das menschliche Dasein in all seinen Dimensionen und das gilt für die Natur. Hier muss die Politik entscheiden, was den Menschen und der Natur zukommen muss, um deren Existenz zu sichern.

Geld ist ein Versprechen – mehr nicht

Wie aber ist das mit dem Geld, das ja auf den Finanzmärkten wie eine Ware gehandelt wird, ob es sich nun wirklich um Währungen oder um Papiere handelt, aus denen gewisse Ansprüche hervorgehen? Wobei daran zu erinnern ist, dass Geld an sich keinen Wert hat, sondern nur ein Versprechen ist. Das Geld, ob als Währung, Aktie oder Kreditbrief, verspricht seinem Besitzer, dass man dafür letzten Endes einen konkreten Gebrauchswert eintauschen kann – sei es ein Auto, ein geistiges Gut oder eine nützliche Dienstleistung. Ist das nicht mehr der Fall, weil die Währung ihren Wert eingebüßt hat, die Aktiengesellschaft pleite oder der Kreditnehmer zahlungsunfähig ist, dann ist all das schöne Geld verloren.

Geld ist aber nicht nur eine sehr flüchtige, sondern auch außerordentlich wandlungsfähige Ware. Sie kann sich nicht nur in ein Nichts, sondern auch in einen Dukatenesel verwandeln. Die aktuelle Finanzkrise hat nach letzten Berechnungen etwa 1.000 Milliarden Dollar vernichtet. Doch wären die Immobilienpreise im Tempo der letzten Jahr weiter gestiegen, hätten nicht nur die Haus- und Grundstücksbesitzer einen durchschnittlichen Wertzuwachs von einigen Hundert Milliarden zu verzeichnen gehabt, sondern auch deren Kreditgeber. Alles im Vertrauen darauf, dass der gestiegene Wert auch eingelöst werden kann. Doch ohne Vertrauen geht dieses Geschäft nicht und jeder, der das Risiko des plötzlichen Wertverlustes kennt, lässt sich doch von der Aussicht verlocken, sein Haus oder auch den Kreditvertrag rechtzeitig zu verkaufen.

Kontrollieren ist gut – vermeiden ist besser

Nun kommen die Banken und der IWF inzwischen zu der Einsicht, dass man solche Höhenflüge, also hochfliegende Versprechungen, nicht zulassen darf. Das Stichwort dafür heißt Kontrolle und meint eigentlich nichts anderes, als dass für jedes Geldgeschäft eine Rücklage gefordert wird, die im Zweifelsfall auch Verluste ausgleichen kann. Das Problem liegt letzten Endes aber nicht im fehlenden Gegenwert, sondern in der Natur des Geldes selbst. Da sich Geld auf wunderbare Weise selbst vermehren kann, liegt das Problem nicht bei der mangelhaften Kontrolle, sondern beim überschüssigen Geld. Je mehr Geld sich auf den Finanzmärkten befindet und sich dort bis zum Crash vermehren kann, desto mehr koppelt sich die Geldsphäre von der Realwirtschaft ab. Es ist flexibel genug, um sich überall anzulegen, rechtzeitig wieder zu flüchten, verbrannte Erde zurückzulassen und in die nächste Unternehmung einzusteigen. Die Flexibilisierung der Finanzmärkte hat das Tempo dieser Verwandlungen ebenso erleichtert, wie das Hochtreiben der Geldrenditen. Und man kann zwar die Kontrollen verbessern, aber der Erfindungsreichtum der Geldhändler wird stets größer sein, als die Macht der schwerfälligen Kontrolleure. Entscheidende Abhilfe ist nur möglich, wenn diese Aufblähung des Geldes gebrochen wird, ökonomisch gesprochen, die Überakkumulation des Kapitals verhindert wird. Das aber ist nur zu machen, wenn das Wachstum des Profits gebremst wird. Durch höhere Arbeitseinkommen, leistungsgerechte Besteuerung und Verwandlung des Profits in reale Investitionen.

Harald Werner 15. April 08


[angelegt/ aktualisiert am  16.04.2008]