Dieser Ausspruch des neoliberalen Erzvaters Milton Friedman stand am 13.9.1970 im New York Times Magazine und wurde zum Leitmotiv einer ganzen Generation von Politikern, Journalisten und anderen Meinungsmachern, bis zu dem Tag, als selbst die größten Bankriesen reihenweise wie Dominosteine fielen. Seit dem werden ausgerechnet diejenigen krimineller Machenschaften beschuldigt, die diese „soziale Verantwortung“ besonders ernst nahmen und ständig neue Geschäftsideen entwickelten, wie man sich mit seinem Kapital nicht nur die schäbige Rendite eines gewöhnlichen Industriebetriebes aneignet, sondern das Doppelte und mehr. Getreu der alten Einsicht des englischen Schuhmachers T.J. Dunning, den Marx im Ersten Band des Kapitals mit folgendem Zitat verewigte: »Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.« (MEW 23, S.788)
Jeder vernünftige Mensch muss eigentlich wissen, dass Geld nicht arbeiten kann, sondern nur dann Mehrwert abwirft, wenn es Maschinen und Rohstoffe mit lebendiger Arbeit kombiniert. Daraus entsteht Profit, der in Folge der Konkurrenz einen durchschnittlichen Prozentsatz erreicht. Wer diesen Satz dauerhaft überschreiten will, muss von der gewöhnlichen Ausbeutung zur Plünderung fremden Eigentums übergehen. Die scheinbar zivilste Form der Plünderung ist das Geldgeschäft. Seit etwa zwei Jahrzehnten ist die Öffentlichkeit daran gewöhnt worden, dass sich die großen Vermögen ungleich schneller vermehren als die Wirtschaft als Ganzes wächst. Alle Parteien, von der Union über die SPD bis zu den Grünen, und natürlich die FDP, haben die jahrelange Explosion der privaten Geldvermögen nicht nur hingenommen, sondern sie mit allen nur erdenklichen Mitteln gefördert. Nicht nur durch die Beseitigung aller Schranken, die den Finanzgeschäften früher einmal im Wege standen, sondern vor allem durch Steuersenkungen und die Verwandlung öffentlichen Eigentums in Privatkapital. Wobei der größte Sündenfall die allmähliche Verwandlung der durch Umlagen finanzierten Rente in ein Kapitalgeschäft sein dürfte. Sieht man einmal von der Deregulierung der Finanzmärkte ab, dann hat die staatliche Reichtumspflege der letzten 20 Jahre die wichtigste Voraussetzung für das geschaffen, was die dafür verantwortlichen Politiker heute kriminelle Machenschaften nennen.
Von der Union und der FDP konnte man seit dem Sturz der Regierung Schmidt nichts anderes erwarten. Doch es blieb den rot-grünen Bundesregierungen unter Gerhard Schröder vorbehalten, den Turbokapitalismus endgültig auf Hochtouren zu bringen. Mit der Senkung der öffentlichen Investitionsrate, der flächendeckenden Einführung der Riesterrente, der Privatisierung von Gesundheitsleistungen und einer Steuerreform, die immer mehr Finanzkapital auf die Märkte schickte. Zeitweilig haben die großen Konzerne keine Körperschaftssteuer mehr gezahlt, sondern von den Finanzämtern einige Milliarden früher gezahlter Steuern zurückbekommen. Wer von diesen Politikern hat in den letzten Tagen dafür Verantwortung übernommen?
Wenn von Verantwortung die Rede ist, darf man getrost auch an all diejenigen denken, die es in den vergangenen Jahren normal fanden, einen beachtlichen Teil ihrer überdurchschnittlichen Einkommen aus Finanzanlagen oder so genannten Erfolgsbeteiligungen zu beziehen. Ganz zu schweigen von denen, die den Tanz um das goldene Kalb medial verklärten und dabei Superprofite als Superleistung verkauften. Natürlich wurden Investmentbanker wie Börsenmakler von Gier getrieben, aber nicht nur von der eignen. Mit ihren heute als kriminell eingestuften Machenschaften waren sie gewissermaßen die skrupellosen Vollzugsorgane einer skrupellosen Bereicherungsgesellschaft.
Harald Werner 7. Oktober 08