Harald Werner - Alles was links ist
< zurück zur Liste
Druckansicht
 

Katastrophenhilfe aber kein Katastrophenschutz

Die drohende Katastrophe ist schwer vorstellbar, wenn man wenig von der Funktion des Bankensystems weiß und der Preis der Katastrophenhilfe so ungeheuerlich, dass man leicht auf die Idee kommt, das Geld sei sinnvoller auszugeben. Immerhin könnte man damit , wie die taz schreibt, an jeden Hartz IV-Empfänger 73.844,33 Euro auszahlen oder jedem Bundesbürger für acht Monate ein Grundeinkommen von 700 Euro spendieren. Das Problem des Bankensektors ist aber nicht, dass die Banken wirklich pleite sind, weil sie sich an den Finanzmärkten verspekuliert haben, obwohl auch das ein Teil des Problems ist. Schwerwiegender ist, dass die Banken in dieser Krise das Gegenteil dessen machen, was sie gewöhnlich tun, nämlich Geld verleihen. Und zwar nicht nur an Firmen, an den Staat oder an Konsumenten, sondern auch an andere Banken. Wenn die Banken aber jeden Euro eifersüchtig festhalten, würgen sie nicht nur die Realwirtschaft ab, sondern treiben sich gegenseitig in den Ruin.

Das Kreditgeschäft läuft nämlich nicht so, dass die Banken ein Teil von dem verleihen was sie in den Tresoren haben, sondern sie verleihen Geld über das sie im Moment gar nicht verfügen. Das funktioniert nur, wenn sich die Banken gegenseitig und auf kurze Frist selber Kredite geben. Das System ist zusammengebrochen, als sich herausstellte, dass einige Banken vor allem US-amerikanische Kreditpakete gekauft hatten, die niemals mehr getilgt werden können. Plötzlich hatten sie Milliarden angelegt, die sich in Luft auflösten und ihre angeblichen Guthaben in schwarze Löcher verwandelten. Hätte man sie in dieser Situation allein gelassen, wären nicht nur die Banken, sondern auch die meisten ihrer Kunden pleite gewesen. Ganz davon abgesehen, dass Tausende von Unternehmen, die sich mit Krediten zwischenfinanzieren, plötzlich ohne Geld dagestanden hätten. Es hätte auf einen Schlag unzählige Firmenpleiten und riesige Entlassungswellen gegeben.

Auffällig ist nicht, dass der Bankensektor mit so gewaltigen Summen gestützt wird, um seinen Kollaps abzuwenden. Ungewöhnlicher scheint, dass man neben der Katastrophenhilfe nicht über einen neuen Katastrophenschutz redet. Erstens muss das überreichliche Finanzkapital zurück in die Realwirtschaft gezwungen werden, was natürlich niemanden weniger interessiert als die Banken. Hier kann nur eine Politik helfen, die Finanzprofite wegsteuert, risikoreiche Geschäfte schlicht verbietet und größere Sicherheiten vorschreibt. Zweitens aber muss nicht nur der Finanzmarkt stärker reguliert werden, sondern das Marktgeschehen insgesamt. Oder ist inzwischen in Vergessenheit geraten, dass dem Versagen der Finanzmärkte ein Versagen des Energie- und Lebensmittelmarktes vorausging?

 

Operation gelungen - Patient stirbt

Indem die Regierung für die Banken bürgt, fließen auch wieder Kredite und der drohende Kollaps des Finanzsystems ist abgewendet. Wie aber weiter? Eigentlich geht es ja um das Überleben der Realwirtschaft und nicht der Banker, aber genau damit sieht es schlecht aus. Während die Operation Bankenrettung das Kreditwesen belebt, stirbt die Konjunktur ab, weil die Nachfrage einbricht. Als Exportweltmeister hat sich die bundesdeutsche Politik und Wirtschaft einer Logik verschrieben, die ihr jetzt auf die Füße fällt. Da der heimische Markt nach dem Auslaufen des Vereinigungsbooms zu wenig Kaufkraft zu bieten hatte, konzentrierten sich die Investitionen auf den Export und schöpften die Kaufkraft anderer Länder ab. Den damit entfachten Konkurrenzkampf konnte die deutsche Wirtschaft nur gewinnen, indem sie die Arbeitskosten senkte, den Beschäftigten Reallohnverluste aufzwang und sogar Mehrarbeit ohne mehr Lohn durchsetzte. Deutschland ist das einige Land der EU, in dem die Beschäftigten in den vergangenen Jahren Lohneinbußen hinnehmen mussten. Die Regierung tat das Ihre, senkte die Steuern wie die Sozialleistungen und schraubte die Investitionen für die öffentliche Daseinsvorsorge runter, so dass zwar die Spitze unter den Exportnationen gesichert aber die Binnennachfrage noch weiter gesenkt wurde. Jetzt hat uns das Herbstgutachten der Wirtschaftswissenschaftler mit der Botschaft überrascht, dass wir am Rande einer Rezession stehen und die Arbeitslosenzahlen wieder steigen werden, weil der Export vor allem wegen des USA-Desasters zusammenbricht. Und trotzdem will niemand über Konjunkturprogramme reden. Man wird irgendwann darüber reden müssen, aber wahrscheinlich wird es zu spät sein, um die Konjunktur am Leben zu halten.

 

Vertrauen ist gut – mitbestimmen ist besser

Man muss sich schon wundern, wenn Briten und US-Amerikaner plötzlich Banken verstaatlichen oder den Staat zum Miteigentümer machen. Sind die Geburtshelfer des Marktradikalismus plötzlich die Ersten, die sich auf die Rolle der Politik in der Wirtschaft besinnen? Zumindest eigenartig ist, dass die Bundesregierung zwar nicht weniger Geld mobilisiert als Briten und Amerikaner, aber nicht die geringsten Anstrengungen unternimmt, um den Einfluss des Staates auf die Banken zu sichern. Da werden den Banken Milliarden zugesichert um das Vertrauen von Wirtschaft und Bürgern ins Bankensystem zurückzugewinnen, aber das Vertrauen des Staates ist grenzenlos. Das Rettungspaket verzichtet auf das Wichtigste, was man bei der Verleihung von Geld verlangen kann, nämlich Sicherheit. Man hat gesehen, dass die staatliche Bankenaufsicht unfähig war, die Risiken der getätigten Finanzgeschäfte zu erkennen. Soll daraus jetzt der Schluss gezogen werden, dass der Staat versagt hat und besser gleich die Augen zumacht? Im Gegenteil: Wann wenn nicht jetzt, soll man über die Ausweitung staatlicher Kontrolle über das Bankensystem reden. Nach einem so grandiosen Beispiel für das Versagen der Märkte, muss auch wieder über gesellschaftliche Kontrolle und Mitbestimmung neu nachgedacht werden.

                                                                                     Harald Werner 14.10.08

 

Einen interessanten Beitrag von Axel Troost findet man zu diesem Thema übrigens auf der Homepage des Parteivorstandes:

die-linke.de/die_linke/nachrichten/detail/zurueck/aktuell/artikel/das-rettungspaket-zur-krise-ein-ermaechtigungsgesetz-im-schnelldurchgang/


[angelegt/ aktualisiert am  15.10.2008]