Harald Werner - Alles was links ist
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Die Gewinner der Globalisierung werden zu ihren Verlierern

Der Exportweltmeister BRD hat bei der neoliberalen Globalisierung so ziemlich alles richtig gemacht, was man von einem Musterschüler der Neoklassik erwarten kann. Die Steuer- und Abgabenquote wurde ebenso unter den OECD-Durchschnitt gedrückt wie die Löhne. Deutschland ist das einzige EU-Land das in den vergangenen acht Jahren einen Reallohnverzicht durchsetzte. Auch bei den öffentlichen Investitionen hält die BRD unter den EU-Staaten die rote Laterne. Aber die deutsche Industrie hat mit diesem Rückenwind sowohl relativ, als auch absolut die Weltspitze der Exportnationen erreicht.

Die volkswirtschaftliche Kehrseite dieses „Erfolgs“ ist entweder unbekannt oder sie wird verschwiegen. Noch immer ruhen sich die Konzernbosse und ihr politisches Personal auf vollen Auftragsbüchern aus und fühlen sich dank ihres erfolgreichen Exportgeschäfts relativ sicher. Dazu wäre anzumerken, dass Exportüberschüsse das Ergebnis von Defiziten sind. Deutschland konnte nur hohe Exportüberschüsse erzielen, weil andere Länder mehr importierten, als sie selber exportieren konnten. Wenn aber ein Land mehr Waren einführt als es selber ausführt, hat es ein Defizit, das durch auswärtige Kredite ausgeglichen werden muss. Das beste Beispiel dafür sind die USA, die schon seit Jahrzehnten auf Pump leben. Wovon die BRD auf doppelte Weise profitierte. Einerseits weil in den USA das abgesetzt werden konnte, was Deutschland in Deutschland keine Kaufkraft fand und andererseits weil Deutschland dieses „Leben auf Pump“ auch noch kreditierte.

Die Finanzmarktkrise war nur der erste, aber nicht der letzte Akt

Im ersten Akt der gegenwärtigen Krise haben sich viele dieser Kredite als faul erwiesen, so dass die geldgebenden deutschen Banken plötzlich riesige Verluste verbuchen mussten. Das ist inzwischen weitgehend bekannt. Der zweite Akt hat gerade erst begonnen und drückt sich aktuell in den Zwangsurlauben der deutschen Automobilindustrie aus. Der Exportweltmeister verliert erst Hunderte Milliarden ausgeliehenen Geldes und nun auch noch seine Absatzmärkte. Hinzu kommen die typischen Übertreibungen der Märkte: Der kreditfinanzierten Verschwendung folgt der ängstliche Konsumaufschub und die Euphorie der Investoren wird von panischer Flucht abgelöst. Die Finanzkrise hat den Konjunkturmotor zum Stottern gebracht, die daraus folgende Absatzkrise wird ihn abwürgen.

Der dritte Akt hat wirft bereits lange Schatten und hängt mit den großen Erfolgen der deutschen Industrie in den ehemaligen Staaten des Ostblocks und vor allem in Russland zusammen, Einerseits hatte man hier einen Markt gewonnen, der dem der USA immer ähnlicher wurde, nämlich durch gewaltige Handelsdefizite und andererseits wurden diese Defizite durch überschüssiges deutsches Kapital großzügig finanziert. Nun bricht dieser Markt zusammen, weil die osteuropäischen Ökonomien nur durch Niedrigstlöhne konkurrenzfähig waren, in den vergangenen Jahren aber gewaltige Reallohnsteigerungen mitmachten und deshalb nun Absatzschwierigkeiten bekommen. Schlimmer noch steht es mit Russland, das sich seinen Boom mit der Explosion der Energiepreise finanzierte. Wenn sich aber der Erdölpreis halbiert, halbieren sich schlagartig die russischen Einnahmen und viele der dem Energieriesen gewährten Kredite werden ebenso faul werden, wie die amerikanischen Immobilienhypotheken. Das ist noch Zukunftsmusik, dürfte aber in den nächsten Monaten Wirklichkeit werden. Es wird nicht nur die deutschen Banken treffen, welche dem Desaster auf dem amerikanischen Immobilienmarkt gerade noch entkommen sind. Es wird vor allem dem Euro schaden, der bereits seit Wochen auf Talfahrt ist und für den auf dem Weltmarkt immer weniger eingekauft werden kann.  Für jedes Prozent aber, das der Euro an Wert verliert, verteuern sich die Einuhren von Energie, für Rohstoffe und für Lebensmittel. Wir haben es also nicht nur auf den Finanzmärkten mit einer Blasenökonomie zu tun, sondern auch beim Wert des Euro.

Die Globalisierung macht nationale Konjunkturprogramme nicht überflüssig, sondern sogar notwendig

Über Konjunkturprogramme werden heute die gleichen Märchen verbreitet, die gestern noch über die Selbstheilungskräfte der Finanzmärkte erzählt wurden. Man sagt Konjunkturprogrammen nach, dass sie wirkungslos verpuffen, in der globalen Wirtschaft versagen und die Staatsschulden erhöhen.

Erstens hält die Behauptung der angeblichen Verpuffung keiner empirischen Überprüfung stand, sondern ist eine theoretische Spekulation der neoliberalen Ökonomie. Der Gegenbeweis lässt sich leicht mit den 1970er Jahren antreten. So stürzte das Wachstum 1974 auf 0,2 Prozent und im darauf folgenden auf ein Minus von 1,3 Prozent ab, was von der Regierung Schmidt mit einem kräftigen Konjunkturprogramm beantwortet wurde. Bereits 1976 zahlte sich die Konjunkturspritze aus und beschleunigte das Wachstum auf satte 5,3 Prozent.

Zweitens ist die Globalisierung zwar eine Realität, aber nur eine sehr eingeschränkte. Selbst in der überproportional auf den Export angewiesenen BRD werden mehr als 70 Prozent der im eigenen Land produzierten Güter und Dienstleistungen auch im eigenen Land abgesetzt. Das heißt, dass sieben von zehn Arbeitsplätzen von der Kaufkraft des Binnenmarktes abhängen.

Drittens sind Staatesschulden, die zum Beispiel durch Konjunkturprogramme entstehen, nicht automatisch Verluste, sondern können auch profitable Investitionen sein. Nämlich immer dann, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden. Einmal muss das Konjunkturprogramm neue Arbeitsplätze schaffen und damit die Kosten der Arbeitslosigkeit senken und zum anderen muss die staatlich finanzierte Nachfrage auch dem Staat zugute kommen. Zum Beispiel durch eine Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur, durch ein steigendes Qualifikationsniveau und einen wirksamen Klimaschutz.  

Schließlich wäre das Konjunkturprogramm ein hervorragendes Instrument, um die deutsche Exportabhängigkeit zu reduzieren und die Binnennachfrage dauerhaft anzuheben. Schließlich sind Krisen nicht nur Katastrophen, sondern auch Voraussetzungen für neue Entwicklungen.

Harald Werner 28.10.08


[angelegt/ aktualisiert am  28.10.2008]