Harald Werner - Alles was links ist
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Theoretisch schwach -

politisch unzumutbar

Die Extremismustheorie von Frau Everts ist weder anspruchsvoll noch kompliziert, sondern hat auf einem Bierdeckel Platz. Man male ein Kreuz und beschrifte die vier Enden: Oben „unkonventionell“, unten „konventionell“, links „radikal“ und rechts „konservativ“ - schon hat man eines der Grundmuster, mit denen die Autorin nicht mehr als ihr eigenes Weltbild widerspiegelt, denn die Bezeichnung der Achsen ist natürlich ebenso willkürlich, wie das mit diesem Schema  geschaffene Parteienbild.  Woraus die Autorin übrigens eine Tugend macht, wenn sie einen ihrer geistigen Väter zitierend schreibt: „Wie oft wir immer auch aus uns herauszutreten versuchen mögen, (...) irgend etwas in uns selbst wird das resultierende Bild determinieren.“([1]) Das „irgend etwas“ welches da in Carmen Everts wirkt und ihr Bild von der PDS detiminiert, hüllt sich 350 Seiten lang in dunkle Andeutungen. Was sie als wissenschaftliche Analyse ausgibt, beschränkt sich auf Zitate geistesverwandter Autoren, die wiederum die Meinungen anderer Autoren zitieren. Alle miteinander bewegen ein sich selbst bestätigendes Zitierkarussell, das seinen Schwung aus nichts anderem bezieht, als der kauffähigen Nachfrage für derlei Enthüllungsliteratur. Diese Polit-Astrologie ist nicht besonders aufregend, so lange sie sich zwischen Buchdeckeln aufhält und nicht selber versucht Politik zu machen.

Nun muss der Autorin zugestanden werden, auch den eigenen Kopf benutzt zu haben, was die Sache freilich nicht besser macht. So bewertet sie zum Beispiel Formulierungen aus PDS-Dokumenten und offenbart dabei politische Wert- und Normenvorstellungen, die selbst für den rechten SPD-Flügel ungewöhnlich scheinen. Ihr Dreh- und Angelpunkt ist eine Auslegung der Menschenrechte, wie sie der klassische Wirtschaftsliberalismus und in jüngerer Zeit der Neoliberalismus vorgenommen hat. Im Menschrechtsverständnis von Frau Everts ist die „individuelle Selbstbestimmung“ des Individuums ein unveräußerliches Recht, das nur in einem „schwierigen Prozess des Abwägens“ durch „Allgemeininteressen“ eingeschränkt werden kann,   „denn das Gemeinwohl ist nicht zweifelsfrei bestimmbar.“([2]) Dementsprechend wirft Frau Everst der PDS vor, „die individuelle Selbstbestimmung wird einem vordefinierten Gemeinwohl unterworfen“ und scheint überhaupt nicht zu wissen,in welchem Rechtsrahmen sie zur Abgeordneten gemacht wurde. Offenbar ist der Autorin das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die in Artikel 14 festgelegte Sozialpflicht des Eigentums ebenso unbekannt geblieben wie die Hessische Landesverfassung, die das Gemeinwohl ziemlich präzise beschreibt und in Artikel 39 festlegt: „Jeder Mißbrauch der wirtschaftlichen Freiheit - insbesondere zu monopolistischer Machtzusammenballung und zu politischer Macht - ist untersagt. Vermögen, das die Gefahr solchen Mißbrauchs wirtschaftlicher Freiheiten in sich birgt, ist auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in Gemeineigentum zu überführen.“ Wobei Artikel 41 sogar noch weiter geht und die generelle Überführung von Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung sowie der Energie und Verkehrswirtschaft in Gemeineigentum festlegt, während Großbanken wie Versicherungen der staatlichen Kontrolle unterworfen werden sollen.([3]) Ist der Landtagsabgeordneten nie das Grundgesetz oder die Landesverfassung ausgehändigt worden oder hat sie darauf nicht sogar einen Eid geleistet?

Natürlich kennt sowohl die Auslegung des Grundgesetzes, als auch der Hessischen Landesverfassung unterschiedliche Sichtweisen, was bei Gesetzen normal ist, aber die Vorstellungswelt von Frau Everts bewegt sich außerhalb dieses Auslegungskorridors, wenn sie meint, dass die Unveräußerlichkeit der individuellen Freiheit auch „im wirtschaftlichen Sinne“[4] zu verstehen ist. Die Sozialbindung des Eigentums, die der wirtschaftlichen Freiheit des Individuums  natürlich Grenzen setzt, wird selbst von rechten Verfassungskommentatoren nicht bestritten.

Everts gesamte Interpretation der PDS-Programmatik basiert auf einem Verfassungs- und Menschenrechtsverständnis, das weit über den rechten Rand der herkömmlichen Debatte hinausgeht und vor allem im Widerspruch zur geltenden Programmatik der eigen Partei steht. Auch das ist natürlich erlaubt, aber es entwertet sowohl ihr Urteil über DIE LINKE, als auch über die hessische SPD, die sich mit übergroßer Mehrheit für einen Regierungswechsel mit Unterstützung der Linken ausgesprochen hatte.

Harald Werner 20. November 2008  

 

 


[1]   Carmen Everts, Politischer Extremismus – Theorie und Analyse am Beispiel der Parteien REP und PDS, Berlin 2000, S.24

[2]   ebenda S.268

3 Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 (GVBl. S. 229) Geändert durch Gesetze vom 22. Juli 1950 (GVBl. S. 131) und vom 23. März 1970 (GVBl. I S. 281) Geändert und ergänzt durch Gesetze vom 20. Mai 1991 (GVBl. I S. 101 und 102) Geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 2002 (GVBl. S. 626-628)

[4]   Everts a.a.O. S. 268


[angelegt/ aktualisiert am  21.11.2008]