Harald Werner - Alles was links ist
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Was erwartet

uns

auf der

Talsohle?

Das Wort Talsohle hat etwas Beruhigendes, weil man tiefer nicht mehr fallen kann und scheinbar wieder sicheren Boden unter den Füßen hat. Der erste Teil des Satzes ist richtig, der zweite irreführend. Wer aus dem Fenster seiner Wohnung abstürzt, den erwartet keine Talsohle, sondern ein tödlicher oder mindestens schmerzlicher Aufschlag. Erst wenn der wirtschaftliche Abschwung stoppt, lassen sich die Folgen des Absturzes ermessen, doch schon jetzt sind seine Folgen zu berechnen. Wenn Deutschland in diesem Jahr sechs Prozent seiner Wirtschaftsleistung verloren haben wird, was niemand mehr bezweifelt, ist das Land um sechs Prozent ärmer geworden. Statistisch gesehen fehlen dann sechs Prozent an Einkommen und Steuereinnahmen, was sich nach und nach erst bemerkbar machen wird. Zuerst bei den Arbeitsplätzen und Erwerbseinkommen, dann in den Sozialkassen und schließlich in all den Töpfen, aus denen Kindergärten, Schwimmbäder und dergleichen Daseinsvorsorge finanziert wird. Schon heute fürchten sich Millionen vor der Arbeitslosigkeit aber daran sind wir gewöhnt. Doch im Gegensatz zu den bislang gewohnten Konjunkturkrisen wird es diesmal nicht nur weniger Arbeitsplätze geben, sondern am Ende des Abschwungs auch keine neuen. Um beim Bild des Fenstersturzes zu bleiben: In den vergangenen Jahrzehnten ist die deutsche Wirtschaft höchstens mal aus dem Hochparterre in den Garten gefallen, diesmal war es die vierte Etage.

Ist es kein gutes Zeichen, wenn die Auftragseingänge wieder steigen?

Zahlen müssen sich immer auf eine konkrete Angelegenheit beziehen, wenn man sie interpretieren will. So hört es sich zwar gut an, wenn der deutsche Maschinenbau im April zwei Prozent mehr Auftragseingänge hatte als im März. Aber das ist natürlich kein Aufschwung, wenn der Auftragsbestand gegenüber dem März des vergangenen Jahres um die Hälfte gesunken ist. Selbst wenn diese Entwicklung weitergehen sollte, wird es rein rechnerisch mindesten bis 2011 dauern, ehe der Maschinenbau wieder da ist, wo er 2008 war. Erst dann, also in zwei Jahren, könnte man von einem Aufschwung sprechen. Doch die Wahrheit ist noch deutlich bitterer, denn wir haben es nicht nur mit einer Konjunkturkrise zu tun. Deutschland hat sich über seinen lahmenden Binnenmarkt über Jahrzehnte durch Exportüberschüsse hinweggerettet, die kaum wiederholbar sind. Erstens wurden in den Importländern durch die Finanzmarktkrise gewaltige Vermögen entwertet, und zweitens müssen diese Länder nun ihre Handelsdefizite abbauen, drittens aber wird es für diese Länder schwieriger Kredite zu bekommen, so dass sie sich stärker auf die eigene Industrie stützen müssen. Das erste Mal seit Jahrzehnten ist Deutschland gezwungen, sich stärker auf seinen Binnenmarkt zu konzentrieren. Das aber wird in vielen Branchen, vor allem im Automobilbau, zur dauerhaften Vernichtung von Produktionsanlagen und Arbeitsplätzen führen. 

Ist es kein gutes Zeichen, wenn die Deutsche Bank schon wieder Profit macht ?

Auf die gleiche Weise wie sich die Krise auf die Menschen und Unternehmen völlig unterschiedlich auswirkt, gibt es auch große Unterschiede beim so genannten Aufschwung. Die Banken profitieren von der Krise, selbst wenn sie zuvor große Verluste gemacht haben, weil sich die Regierungen so stark verschulden müssen, dass die Banken am Verkauf von Staatsanleihen oder der Vergabe von Krediten an die öffentlichen Kassen gut verdienen können. Das Widersinnige an dieser Angelegenheit ist, dass die Banken an den Schulden verdienen, die die Regierungen gemacht haben, um die Banken zu retten.

Ist es kein gutes Zeichen, wenn der DAX in nur zwei Monaten um 30 Prozent zulegt?

Erstens spiegelt der Deutsche Aktienindex lediglich die Wertentwicklung der 30 größten deutschen Aktiengesellschaft wider und nicht die wirtschaftliche Lage des Landes und zweitens drückt sich im Aktienwert auch nicht die wirtschaftliche Lage dieser Unternehmen aus, sondern lediglich die Kaufbereitschaft der Vermögensbesitzer. Es ist immer noch genügend überschüssiges privates Geldvermögen vorhanden, das sich nicht mit Sparzinsen begnügt, sondern auf der Suche nach möglichst hoffnungsvollen Anlagen ist. Hier zeigt sich übrigens, dass es völlig verfrüht ist, vom Ende des Finanzmarktkapitalismus zu reden, denn bei den genannten Aktienwerten handelt es sich nicht um reale, sondern um auf Hoffnung gegründete Werte. Es ist fiktives Kapital, das sich sofort wieder verflüchtigt, wenn die Vermögensbesitzer ihre Aktien gegen andere Anlagemöglichkeiten eintauschen.

Ist es kein gutes Zeichen, wenn Erdöl wieder teurer wird?

Ökonomen schätzen den Erdölpreis als so genannten Frühindikator, der immer dann steigt, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Diese Regel bezieht sich aber auf normale Konjunkturkrisen und gilt auch nicht mehr bei einer weltweiten Energiekrise. Tatsächlich sind die Erdölpreise und mit ihr die anderen Energiekosten abgestürzt, als auch die Wirtschaft abstürzte. Doch der Erdöl- und Gaspreis war wegen der Energiekrise ohnehin durch Spekulationen getrieben und brach wegen der zusammenbrechenden Spekulationen ein, was die Produzenten zu einer Drosselung ihrer Förderung und vor allem der Investitionen veranlasste. Da es aber die Erdöl- und Gasvorkommen so knapp sind, dass ständig neue Investitionen in die Förderung notwendig werden, gibt es schon bald einen noch größeren Mangel, der automatisch die Förderkosten nach oben treibt, wenn die Förderung auf den alten Stand zurückkehrt. Deshalb ist es kein Hoffnungsschimmer, wenn die Energiepreise jetzt steigen sollten, sondern ein Alarmsignal. Die Preise werden nämlich deutlich mehr steigen als die Industrieproduktion, was zu einer neuen Belastung von Wirtschaft und privaten Verbrauchern führt.

Wir zahlen nicht für eure Krise! – Wer aber dann?

Die Parole ist goldrichtig und trotzdem macht sie skeptisch. Die Weigerung kann nur Erfolg haben, wenn die gewaltigen privaten Geldvermögen der oberen 20 Prozent der Bevölkerung für den sozialen und ökologischen Umbau der Volkswirtschaft eingesetzt, also zu einem großen Teil schlicht enteignet werden. Zum Beispiel so, wie es die Maßnahmen des Bundeswahlprogramms der Linken vorschlagen. Das ist nicht unmöglich aber eine nüchterne Betrachtung der politischen Lage macht es nicht sehr wahrscheinlich. Eher müssen wir uns auf schlimme Verteilungskämpfe einstellen. Und zwar nicht nur zwischen dem größeren Teil der Gesellschaft und den Wenigen, die diese Finanzmasse besitzen. Die Verteilungskämpfe werden zwischen den um ihr Überleben kämpfenden Standorten stattfinden, und damit zwischen abhängig Beschäftigten, was zwangsläufig Lohnverluste mit sich bringt. Sie werden aber auch zwischen denen ausgefochten, die Ansprüche auf Staatsgelder haben, auf Renten, auf Arbeitslosengeld oder andere soziale Leistungen. Es sei denn, und darum zu kämpfen ist momentan das Wichtigste, es gelingt wirklich die Bezieher von Vermögenseinkommen von einem Teil ihrer Vermögen zu entlasten.

Harald Werner 11. Mai 09

 


[angelegt/ aktualisiert am  11.05.2009]