Harald Werner - Alles was links ist
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In

Griechenland

wird der

Teufel

mit Belzebub ausgetrieben

Griechenland hat keine dramatischere Staatsverschuldung als etwa Japan oder die USA, aber es hat nicht die geringste Aussicht auf neue Kredite um die alten abzulösen. Der Grund ist einfach: Fast sämtliche entwickelten kapitalistischen Länder haben enorme Staatsschulden, die jeweils durch die Aufnahme neuer Schulden verlängert werden. Solange das Wachstum und der reale Reichtum eines Landes groß genug sind, damit die Investoren mit der Rückzahlung einer Staatsanleihe rechnen können, werden sich stets neue Kreditgeber finden. Ist das wie im Fall Griechenlands nicht mehr sicher, steigen die Zinsen auf eine Höhe, die erst zur allmählichen Ausplünderung führt und dann in den Bankrott mündet. So werden für eine zweijährige griechische Staatsanleihe momentan 28 Prozent Zinsen verlangt. Da Griechenland auf Staatsschulden von 340 Milliarden Euro sitzt, würden allein zur Verlängerung dieser Schulden jährlich Zinszahlungen von etwa 100 Milliarden anfallen.([1]) Das heißt, dass mehr als ein Drittel der griechischen Wirtschaftsleistung in den Kassen der Banken landet. Deshalb hat die EU sogenannte Rettungsschirme aufgespannt, die nichts anderes anbieten, als billigere, aber auch keine billigen Kredite. Der Teufel der Finanzmärkte wird durch den etwas weniger raffsüchtigen Belzebub der Rettungsschirme ausgetrieben. Der Effekt ist der gleiche, er tritt nur etwas später ein. Zumal die erzwungene Sparpolitik die gleiche Wirkung erzielt, wie die Fastenkur bei einem Verhungernden.

Das griechische Sozialprodukt ist dank dieser Therapie im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent abgestürzt und wird in diesem mindestens um weitere 3,5 Prozent sinken.([2]) Damit aber steigt der Anteil der Zinsen am Sozialprodukt, so dass die gesamte Wirtschaftsleistung irgendwann nicht mehr ausreichen wird, um die Zinsen zu begleichen. Deshalb können die europäischen Rettungsschirme den Staatsbankrott zwar verlängern aber nicht aufhalten. Der Staatsbankrott wird aber nicht nur Griechenland in den Abgrund reißen, sondern eine europäische Abwärtsspirale auslösen. Denn wenn Griechenland seine Staatsanleihen nicht zurückzahlen kann, verwandeln sich einige Hundert Milliarden europäischer Guthaben in Schrott. Als erstes ginge die europäische Zentralbank pleite, dann alle deutsche Landesbanken und schließlich einige Großbanken und Versicherungen. Gleichzeitig würde der Ausfall der griechischen Staatsanleihen den Zusammenbruch anderer EU-Staaten provozieren, wie etwa Portugal oder Spanien, so dass eine unbeherrschbare Kettenreaktion entstünde.

 

Die Ursachen der Krise

Die griechische Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 100 Prozent gestiegen, während sie in der BRD zur gleichen Zeit lediglich um etwa zwölf Prozent zunahm. Der Grund war die Einführung des Euro, der Griechenland zu einem Paradies für Investoren und Exporteure werden ließ. Der Euro verbilligte die deutschen Exporte und verbesserte den Zugang deutscher Banken zum griechischen Kreditmarkt, was vor allem die Importe und den Bausektor ankurbelte. Wobei die deutschen Exporte im Schnitt etwa viermal so hoch waren, wie die griechischen Ausfuhren, so dass die griechischen Schulden ebenso kräftig nach oben kletterten, wie die Profite der Geldgeber. Deutschland konnte seinen gewaltigen Exportüberhang übrigens vor allem durch stagnierende Lohnstückkosten im eigenen Land erobern, während in Griechenland die Löhne in Folge der steigenden Investitionen  überdurchschnittlich stiegen. Das griechische Wirtschaftswunder wurde also nicht nur durch Kredite der mächtigen EU-Länder finanziert, sondern kam denen auch zugute.

Vor der Einführung des Euro waren die DM-Preise für Griechenland viel zu hoch, weshalb die deutsche Konsumgüterindustrie lieber selbst in Griechenland produzierte, als ihre Waren dorthin zu exportieren.  Doch nach der Einführung  des Euro sanken die Preise für deutsche Produkte auf breiter Front, so dass die Konzerne lieber wieder in Deutschland produzierten und Produktionen in Griechenland abbauten. Kein Land aber kann auf Dauer nur als Absatzmarkt dienen, ohne sich über alle Maßen zu verschulden. Aber selbst das hätte nicht die gegenwärtige Krise ausgelöst, hätten die Finanzjongleure  nicht ihre Chance zur Spekulation mit griechischen Staatsanleihen entdeckt. „Mitten in der größten Weltfinanzkrise seit 1931 bot sich eine einmalige Gelegenheit, auf Staatspleiten im Euro-Raum zu wetten und damit viel Geld zu verdienen.“([3]) Und so paradox es erscheinen mag, selbst an den Rettungsschirmen wird noch kräftig verdient. 

 

Der Staatsbankrott  ist unausweichlich und der Widerstand unverzichtbar

Schon die Anwendung der Grundrechenarten reicht, um die Unumgänglichkeit eines Staatsbankrotts zu erkennen, es sei denn, einige der Gläubiger gehen selbst bankrott oder verlieren einen großen Teil ihres verliehenen Kapitals. Was jetzt versucht wird, nämlich die Rückzahlung zu strecken, verlagert das Desaster lediglich in die Zukunft. Der griechischen Bevölkerung einzureden, sie müsse nur noch weitere Opfer bringen und den letzten Rest öffentlichen Eigentums aufgeben, ist nicht mehr als eine Zwecklüge der privaten Banken und der politischen Eliten. Die Banken brauchen einen Zeitaufschub, um ihre Schrottanleihen abzustoßen und die Politik setzt auf ein Wunder, weil sie immer noch an dem Aberglauben festhält, dass man sich aus der Krise heraus sparen kann. Allerdings dürfte nur die Rechnung der privaten Banken aufgehen, die seit einem Jahr bereits ein Drittel ihrer griechischen Staatspapiere verscherbeln konnten, während die EZB und zahlreiche öffentliche Banken an ihren Schrottanleihen festhalten müssen.  

Angesichts dieser Lage mag man den Widerstand der griechischen Bevölkerung als einen Kampf gegen Windmühlenflügel betrachten- symbolträchtig aber wirkungslos. Und tatsächlich besitzt keine griechische Regierung mehr die Macht, sich dem vereinten Diktat der Finanzmärkte und der EU zu entziehen. Aber der eigentliche Adressat sitzt auch nicht in Griechenland, sondern in Brüssel, Berlin und Paris sowie beim IWF in New York. Interessanterweise war es die Financial Times, die kürzlich feststellte: „Die Geschichte gibt Anlass zur Skepsis. In einer Demokratie haben meist die Einheimischen das letzte Wort.“([4]) Zum Beispiel hätten die politischen Proteste gegen das drastische argentinische Sparprogramm 1991 dazu geführt, dass die Investoren und Kreditgeber trotz dieses Programms aus dem Land flohen, so dass der IWF gegenüber Argentinien zu einer Kursänderung gezwungen wurde. Tatsächlich kann sich auch Europa keinen Unruheherd leisten, der zur Flucht aus dem Euro-Raum oder zum Ausfall Griechenlands als Absatzmarkt führen könnte.  Außerdem gibt es Alternativen, die sich aber erst durchsetzen werden, wenn man vor allem in Deutschland begreift, dass eine notleidende Wirtschaft nur dort auf die Beine kommt, wo neue Nachfrage geschaffen wird. Schon jetzt wird über die Notwendigkeit eines Marshall-Plans zur Ankurbelung der griechischen Wirtschaft diskutiert. Leise noch und mit wenig Zustimmung, aber sie dürfte umso größer werden, je länger der griechische Widerstand anhält.

      

 

 


[1] Vergl. Conrad Schuhler, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung, 30.Juni 2011

[2] Vergl. Michael Krätke, Griechenland in Schuldknechtschaft, Blätter für deutsche und internationale Politik 7`11, S.12

[3] Krätke a.o.O. S.13

[4] “Eine Wette gegen das Volk“ FTD vom 4. Juli 2011, S.24


[angelegt/ aktualisiert am  06.07.2011]