Der Optimismus, mit dem die Institute eine zwar verlangsamte aber anhaltende Aufwärtsentwicklung prognostizieren, gründet sich ausschließlich auf Effekte, die für die Mehrheit der Bevölkerung negativ sind: Niedrige Arbeitskosten, zunehmende Prekarisierung der Beschäftigung und abnehmende Sozialleistungen. Gestützt auf diese Faktoren wird weiterhin auf Exportüberschüsse, und damit auf die Verdrängung anderer Industrienationen gesetzt. Es ist ein imperiales Konzept, das im eigenen Land Lohndumping, Sozialabbau und die Konzentration des Staates auf die Wettbewerbsförderung voraussetzt. Nichts beweist dies besser, als die von den Instituten vorgelegte Statistik. So wird für das kommende Jahr mit einer Erhöhung der Masseneinkommen von nur 2,1 Prozent gerechnet, obwohl das Arbeitsvolumen im laufenden Jahr um 1,7 Prozent zugenommen hat.[1] Das heißt, dass das Masseneinkommen weniger durch höhere Löhne steigt, als durch die Zunahme der Beschäftigung. Wobei vom Beschäftigungsaufbau vor allem die Leiharbeit und die geringfügige Beschäftigung profitiert.[2] Der geringen Steigerung des Masseneinkommens soll im folgenden Jahr ein Wachstum der Selbständigeneinkommen und der betrieblichen Gewinne von 5,9 Prozent folgen.[3] Für diese überproportionale Steigerung sind in erster Linie die stagnierenden Arbeitskosten verantwortlich, die im laufenden Jahr trotz deutlicher Tarifanhebungen um nur 0,7 Prozent gestiegen sind, was nicht nur die Gewinn- und Vermögenseinkommen kräftig steigen lässt, sondern auch den Exportüberschuss sichert.
Kein Wunder, dass sich die Institute in ziemlich scharfer Form gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes oder eine Verlängerung der Bezugsdauer von ALG I aussprechen. „Generell muss bei weiteren Reformmaßnahmen darauf geachtet werden,“ so die Experten,“ …die Lohnkosten insbesondere für Niedrigqualifizierte weiter zu reduzieren.“[4] Dass sie die Verlängerung des ALG I ebenso ablehnen, wie eine Reform von Hartz IV, hat für sie vor allem folgenden Grund „Dies erhöht den Druck auf die Arbeitslosen, wieder früh aktiv eine Beschäftigung zu suchen und auch Arbeitsstellen anzunehmen, deren Entgelt oder sonstige Konditionen unter ihrem früheren Lohn liegen.“[5] Nach Berechnung der Instuitute „dürften mehr als 11% aller Arbeitnehmer in Westdeutschland und mehr als 25% in Ostdeutschland einen Stundenlohnsatz von weniger als 7,50 erhalten.“[6]
Eine wichtige Verteilungsfunktion kommt nach Meinung der Gutachter auch dem Staat zu, indem er ab kommenden Jahres die Unternehmenssteuern um 6,6 Milliarden Euro senkt und somit die Unternehmensgewinne zu Lasten der Masseneinkommen erhöht, denn die Steuergeschenke werden im kommenden Jahr mehr als ein Viertel der Mehrwertsteuererhöhung aufzehren.[7] An dieser Stelle zeigt sich dann auch der Grund, weshalb der Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung eine so große Bedeutung zugemessen wird. Die Absenkung hat den Unternehmen in diesem Jahr eine Ersparnis von 8,9 Milliarden Euro beschert, die sich im kommenden Jahr auf 10,1 Milliarden erhöhen wird. Dagegen nimmt sich der Umverteilungsaspekt durch die West-Ost-Angleichung der Hartz IV Regelsätze relativ bescheiden aus – er kostet etwa nur ein Viertel davon.
Harald Werner 19. Oktober 07
[1] Gemeinschaftsdiagnose, Herbst 2007, S.67 - 69
[2] a.a.O. S.51
[3] a,a,O. S.68
[4] a.a.O. S.61
[5] ebenda
[6] a.a. S.62
[7] a.a.O. S.53