Während Ferdinand Piech, Aufsichtsratsvorsitzender von VW und zugleich Großaktionär von Porsche, unversehens in die VW-Affäre um die Bestechung von Betriebsratsmitgliedern schlidderte, rutschte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking mit einem Jahresgehalt von etwa 60 bis 70 Millionen Euro an die Spitze aller bundesdeutschen Großverdiener. Damit ließ er nicht nur den bisherigen Spitzenreiter Josef Ackermann hinter sich, der zuletzt mit 13,2 Millionen von der Deutschen Bank auskommen musste, sondern konnte auch eine „Gehaltssteigerung“ von etwa 150 Prozent verbuchen.[1]
Maßgeblich für die enorme Gehaltssteigerung des Vorstands ist nicht der Absatz von Porsche, sondern sein Spekulationsgewinn aus der Beteiligung an VW. Der Sportwagenhersteller besitzt nicht nur 31 Prozent der VW-Aktien und profitiert davon, dass Volkswagen der weitaus größte und billigste Zulieferer ist, sondern besitzt auch Optionen auf weitere VW-Aktien. Der Porsche-Konzern trieb den Wert der VW-Aktien durch Übernahmespekulationen so in die Höhe, dass ihm Finanzgeschäfte mit den VW-Optionen einen Milliardensegen in die Kassen spülten. Der Rekordgewinn des ausgelaufenen Geschäftsjahres von 5,9 Milliarden Euro stammt zu fast zwei Dritteln aus Finanzgeschäften mit VW-Optionen. Mit dem Gehaltssprung von Wiedeking schließt ein deutscher Spitzenmanager erstmals in die Vergütungsgruppe der US-Bosse auf, was zweifellos von den anderen Großkonzernen nachvollzogen wird.
Siemens-Manager waren in den vergangenen Jahren vor allem durch skrupellose Schmiergeldpraktiken bekannt geworden. Rund 1,3 Milliarden Euro sollen weltweit über schwarze Kassen ausgereicht worden sein, um Auftraggeber gefügig zu machen. Vorstandschef Kleinfeld war deshalb im Juni zurückgetreten und zum US Alu-Konzern Alcoa gewechselt, wo er zugleich ein Antrittsgeld von 8,7 Millionen Dollar kassierte. Doch damit nicht genug, wurde in dieser Woche bekannt, dass Siemens dem ausgeschiedenen Kleinfeld noch eine Prämie von 5,75 Millionen Euro hinterher geworfen hat, weil er zu keinem Konkurrenten wechselte. Auch Kleinfelds Nachfolger Peter Löscher, wechselte nicht ohne Sonderkonditionen von Merck & Co zu Siemens, sondern ließ sich zusätzlich zu seiner kräftigen Gehaltssteigerung 8,5 Millionen an Altersruhegeld sichern, dass ihm bei Merck zugestanden hätte.
Ungewöhnlich sind solche Millionengeschenke hierzulande nicht. Allerdings kann einem angesichts dieser Skrupellosigkeit und Raffgier übel werden, wenn diese „Elite“ einschließlich ihrer politischen Helfershelfer angesichts von Hartz IV über eine soziale Hängematte redet.
Dass die Methode „nimm was Du kriegen kannst“, den skrupellosen Einsatz der Ellenbogen insgesamt befördert, machte eine andere Meldung der letzten Novemberwoche deutlich. Die Presse jubelte über das Abschneiden deutscher Grundschulen beim internationalen Vergleich der Lesekompetenz, wo Deutschland unter 45 Ländern den elften Platz einnehmen konnte. Doch nicht nur, dass dabei wieder einmal die wachsende Benachteiligung der Arbeiterkinder sichtbar wurde. Im Kleingedruckten kam auch zum Vorschein, dass sich deren Benachteiligung nicht in schlechteren Leistungen ausdrückt, wohl aber in der Geringschätzung ihrer Leistungen. „Um etwa vom Lehrer eine Empfehlung für das Gymnasium zu erhalten, muss ein Akademikerkind im Lesetest knapp 540 Punkte erreichen, ein Arbeiterkind dagegen 614 Punkte.“[2] Das Perverse daran ist, dass zwar die Leseleistungen der deutschen Grundschüler gestiegen sind, gleichzeitig aber auch die Anforderungen für ein Arbeiterkind, das zum Gymnasium will. „Alles in allem sind die Chancen für Akademikerkinder, ein Gymnasium zu besuchen, 2,5-mal höher als für Arbeiterkinder – bei gleicher Intelligenz und gleichen Leistungen.“[3] Wilfried Bos, Mitautor der entsprechenden Studie, führt diesen Trend darauf zurück, dass gut ausgebildete Eltern einen stärkeren Druck auf die Lehrer ausüben, als Arbeitereltern. Natürlich kann und muss man das dem Schulsystem anlasten, doch letztlich bringt jede Gesellschaft das ihm angemessene Schulsystem hervor – und nicht umgekehrt.
Harald Werner 29. November 2007
[1] Da Porsche zu 100 Prozent im Familienbesitz ist, konnte die „Aktionärsversammlung“ eine Geheimhaltung der Einzelbezüge der Vorstandsmitglieder beschließen, so dass in der Bilkanz lediglich die Gesamtsumme von 112,7 Millionen Euro auftaucht. Das Gehalt von Wiedeking wird jedoch von Branchenkennern auf die mehr als die Hälfte der Gesamtsumme geschätzt.
[2] Financial Times Deutschland, 29.November 2007, S.9
[3] ebenda